Wie kann ich meinem Kind bei Glaubensfragen in der Trauer eine Hilfe sein?

Moritz sagt: „Wenn Gott der Bestimmer über die ganze Welt ist und bestimmt hat, dass meine Mama sterben muss, dann ist der blöd!“ Moritz ist sieben Jahre alt, als seine Mutter an Krebs stirbt. Immer häufiger konfrontiert er seinen Vater, die Großeltern, die Religionslehrerin mit seiner Aussage. Auch beim Treffen in der Trauerbegleitung ist es sein großes Thema. Vorerst akzeptiert er keine Gedankengänge anderer, er braucht Zuhörer für seine Anklage gegen Gott. Im gemeinsamen Gespräch entsteht eine Idee: Da gibt es Menschen, deren Beruf es ist, sich mit Fragen zu Gott auseinanderzusetzen, gemeinsam mit Kindern oder Erwachsenen nach Antworten zu suchen. Priester, Ordensleute, Seelsorger. Männer und Frauen, die der Kirche angehören. An meinem PC schreibt Moritz eine E-Mail an eine Ordensfrau. Schwester Johanna reagiert.

November 2007

„Hallo! Ich heise Moritz und bin 7 jare alt. Meine Mama ist tot. Ich finde den Gott nicht mer gut, weil er ist nemlich der bestimer dafür, wer sterben mus oder nicht.. Ich finde den gott dof. Was meinst du dazu?????? Vile Grüse, Moritz

Lieber Moritz,

ich finde es ganz toll von dir, dass du den Mut hattest, uns deine Fragen wegen Gott zu schreiben. Ich will versuchen dir zu sagen, was ich dazu denke, aber zuerst möchte ich mich dir auch vorstellen.

Ich heiße Schwester Johanna und werde im nächsten Jahr schon 50 Jahre alt – also schon ziemlich alt, aber ich hoffe, dass wir uns trotzdem verstehen. Zudem vertraue ich dir, dass du dich einfach meldest, wenn du in meinem Brief an dich etwas nicht verstehst oder dir neue Fragen kommen. Darüber würde ich mich jedenfalls sehr freuen.

Zuerst einmal möchte ich dir sagen, dass ich ganz traurig geworden bin als ich las, dass deine Mutter gestorben ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass du auch sehr, sehr traurig bist und dich jetzt ziemlich alleine fühlst.

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass du jetzt total wütend auf Gott bist. Du glaubst, dass er es bestimmt hat, dass deine Mutter sterben musste und darum hasst du ihn. Hast du Gott das eigentlich schon einmal selbst gesagt? Das kann man nämlich. Ich sage ihm auch alles, auch wenn ich wütend bin, oder etwas nicht verstehe. Und dass deine Mutter so früh sterben musste, das ist ja nicht zu verstehen, nicht wahr?

Du hast sie vermutlich sehr gern gehabt und jetzt fehlt sie dir und wenn du dir vorstellst, dass Gott sie dir weggenommen hat, dann ist das total gemein. Stimmt das?

Ich möchte dir gern einen Vorschlag machen, Moritz, sozusagen einen Vertrag mit dir schließen. Wir werden einfach Gott mal gemeinsam sagen, dass wir es nicht verstehen können, warum deine Mutter sterben musste. Machst du mit?

Ich kann dir aber auch meine Vermutung schon schreiben. Ich denke nämlich, dass Gott genauso traurig ist wie du und ich und dass er dich gut verstehen kann. Weißt du, Gott möchte eigentlich, dass die Menschen ganz glücklich sind. Aber es gibt den Tod – jeder Mensch muss sterben, du und ich auch. Und Gott findet das eigentlich gar nicht gut. Deshalb lässt er die Menschen auch nicht einfach im Tod, sondern nimmt sie zu sich in ein ganz neues Leben. Dort bei ihm ist jetzt deine Mama auch. Dort hat sie keine Schmerzen mehr und dort wirst du sie eines Tages auch wieder sehen. Ob du dir das vorstellen kannst? Schreib mal, was du darüber denkst.

Lieber Moritz, jetzt ist bald Weihnachten und ich denke mir, dass dir deine Mama dann gerade sehr fehlen wird. Deshalb werde ich ganz besonders an dich und euch alle denken. Jetzt, wo deine Mama bei Gott ist, ist sie dir auf ganz neue Weise nahe. Vielleicht kannst du das eines Tages auch spüren. Sie ist nicht einfach weg, sondern ist jetzt bei Gott und deshalb kannst du auch mit ihr sprechen. Vielleicht versuchst du es einmal.

Ich bete für dich und wünsche dir, trotz allem, ein ganz schönes Weihnachtsfest. Wenn du magst, schreib mir mal.
Deine Schwester Johanna OSB

Mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Buch von Mechthild Schroeter-Rupieper: „Für immer anders. Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds.“ Schwabenverlag, 2009. ISBN 9783796614569. In: Pfarrbriefservice.de

Mechthild Schroeter-Rupieper ist verheiratet und Mutter von 3 Söhnen und einer Pflegetochter, Erzieherin, langjährige freiberufliche Fortbildnerin und Trauerbegleiterin. Sie setzt ihren Schwerpunkt auf die Stärkung und Begleitung von Erziehenden, Pflegenden und Seelsorgern aus dem sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen und geistig Behinderten Menschen. In ihrer Praxis Lavia Institut für Familientrauerbegleitung in Gelsenkirchen begleitet sie ebenfalls Menschen jeden Alters vor einem anstehenden Tod und in der Zeit danach.

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Januar 2010

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB

Sie dürfen den Text NICHT in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Mechthild Schroeter-Rupieper
In: Pfarrbriefservice.de