"Wir leben nicht für uns selbst"

Interview mit Abt Hermann-Josef Kugler über das "Jahr der Orden"

Am 1. Advent 2014 hat das von Papst Franziskus ausgerufene "Jahr der Orden" begonnen. Der Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Abt Hermann-Josef Kugler, spricht im Interview mit katholisch.de über die Chancen des Ordensjahres und aktuelle Herausforderungen.

Die Gesellschaft wird immer säkularer. Wie passt "ein Leben für Gott" da noch hinein?

Kugler: Mir gefällt diese Trennung von säkularer Gesellschaft und religiöser Welt nicht. Das ist nicht unsere christliche Sicht von der Welt. Nach unserer Überzeugung ist Gott überall in unserer Welt gegenwärtig und da. Es gibt keinen Ort der "Gottferne", wenn das mit dem Wort "säkular" gemeint sein soll. Gott ist in unserer Gesellschaft da. Und ich denke, viele Christinnen und Christen, aber auch wir Ordensleute mit unserem Lebensentwurf machen diesen Gott in unserer Welt "sichtbar".

Was zeichnet gute Ordensmänner und –frauen aus?

Kugler: Also, ich denke, gute Ordensfrauen und –männer sollen wache Menschen sein, die den Glauben an das Gute im Menschen nicht verlieren und die auf der Suche nach Gott in ihrem Leben bleiben, sich von ihm herausfordern und überraschen lassen. Sie sollen etwas von der Freude des Evangeliums ausstrahlen. Das scheint mir eine ganz wichtige Eigenschaft zu sein. Wir leben als Ordensleute ja nicht für uns selbst. Wir haben unsere Verwurzelung in Gott und sind zu den Menschen gesandt in den vielfältigen Nöten.

Was muss jemand mitbringen, der an einem Leben im Orden interessiert ist?

Kugler: Ich sage es ganz einfach mit einem Slogan, mit dem vor einiger Zeit eine Synode zum Thema Ordensleben beschrieben wurde. "Leidenschaft für Gott" und "Leidenschaft für die Menschen". Ich glaube, beides muss jemand mitbringen, der am Ordensleben interessiert ist – natürlich neben den üblichen Voraussetzungen wie beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung.

In Weltregionen, in denen die Kirche noch jung ist, blühen die Orden. Wie kommt das?

Kugler: Nun, da wo die Kirche jung ist, da ist der Glaube noch neu und lebendig. Die Menschen erfahren, dass die Kirche und der christliche Glaube etwas ist, was mir zum Leben hilft – kein bloßes Lehrgebäude oder irgendein religiöses "Brauchtum", sondern etwas, was mit mir zu tun hat, was mir Kraft gibt, mein Leben und meinen Alltag prägt. Dass auch Menschen dazu kommen, mit ihrer ganzen Existenz aus dem Glauben zu leben, ihr Leben als Ordensleute der Kirche und dem Aufbau des Reiches Gottes zu weihen, versteht sich dann von selbst.

Können davon auch deutsche Orden profitieren?

Kugler: Ich denke schon, dass wir uns von den jungen Kirchen anstecken und inspirieren lassen können von der Begeisterung am Wort Gottes, am Glauben. Die meisten Orden sind ohnehin international vernetzt und verbunden. Manche Ordensgemeinschaften sind bewusst von ihrem Charisma her international. Es gibt Kommunitäten in Deutschland, in denen Menschen aus verschiedene Nationen und Kulturen zusammenleben und voneinander lernen, auch im Glauben.

Der Papst ist beliebt und selbst Ordensmann. Spüren Sie einen "Franziskus-Effekt"?

Kugler: Ich glaube nicht, dass durch Papst Franziskus jetzt die Zahlen der Ordenseintritte steigen werden, auch wenn er natürlich aus seiner Ordensspiritualität heraus lebt. Man merkt es seinem Verhalten und vielen seiner Ansprachen an, dass er als Jesuit und Ordensmann denkt und lebt. Aber ich denke, dass der sogenannte "Franziskus-Effekt" mehr mit einer veränderten Atmosphäre in der Kirche zu tun hat. Ich würde das in Begriffe fassen wie Geschwisterlichkeit, Offenheit, Dialog, Barmherzigkeit, Einfachheit und Einsatz für die Armen. Durch seine menschliche Art hat er ein neues Klima angestoßen. Er gibt unserer Kirche auch nach außen ganz einfach ein sympathisches Gesicht. Und das hilft vielen auch an der Basis in der seelsorglichen Arbeit.

Was wünschen Sie sich vom Jahr der Orden?

Kugler: Natürlich wünsche ich mir, dass in jungen Menschen durch dieses Jahr der Orden ein neues Interesse wächst für ein Leben nach dem Evangelium, nach den evangelischen Räten. Und wenn andere Menschen durch unsere Lebensweise als Ordensleute neu herausgefordert werden, sich mit ihrem eigenen Glauben neu auseinanderzusetzen, wäre auch schon viel erreicht.

Interview: Björn Odendahl
Quelle: www.katholisch.de, In: Pfarrbriefservice.de

Hinweis: Ein Bild von Abt Hermann-Josef Kugler finden Sie unten angefügt.

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Text: Björn Odendahl
In: Pfarrbriefservice.de