Wortscheue Spiritualität – wortkarger Glaube

„Man darf nie die Spiritualität der Menschen antasten“, sagt Lucca zu seinem Sohn Nicò, als die beiden sich über ihren Glauben unterhalten. Eigentlich machte Lucca nie viel Worte über seinen Glauben – auch nicht gegenüber seinem Sohn. Lucca entzog sich sogar bewusst solchen Situationen, in denen andere aus der Kirche seinen stillen Glauben hätten hinterfragen und abwertend beurteilen können. Nicò jedoch hatte längst an vielen kleinen Handlungen des Vaters bemerkt, dass sein Vater glaubte. Besonders aufgefallen war ihm, dass sein Vater nach der Arbeit das leere, stille Gotteshaus aufsuchte, dass er abends im Evangelium las und betete. Auch in dem, wie der Vater für die Familie und Mitmenschen sorgte, sah der Sohn den Glauben des Vaters wirksam.
Diese Situation, die Marco Balzano in seinem Roman „Damals am Meer“ (München 2011) schildert, ist für zahlreiche Männer (Väter wie Söhne) sehr treffend: In der Regel reden Männer nicht viel über ihren Glauben; sie leben ihn. Er ist ohne viele Worte die Leitschnur ihres Lebens.

Über das Unsagbare reden?

Sie erspüren Gottes Unsagbarkeit, erahnen das Geheimnis Gottes und halten sich deshalb zurück. Es geht ja nicht um ihr Auto, ihren Beruf oder ihr Hobby. Es geht um das Unergründliche, und dem ist – so meinen viele Männer – besser Respekt zu zollen und Anerkennung zu geben, in dem sie sich mit Worten zurückhalten. Zumal das Heilige durch falsche Worte nicht beschädigt werden soll. Denn: Was würde geschehen, wenn man darüber sprechen würde und sich dabei missverständlich ausdrückte? Welche Irritationen würden dann bei Zuhörenden ausgelöst? Wie würden diese reagieren?

Das Innen nicht nach Außen kehren

Ähnlich ist es für manche Männer mit ihrem Glauben, der sich aus starken und tief bewegenden Erfahrungen speist: Lassen sich solche prägenden Erfahrungen in die richtigen Worte fassen? Kann das Innere durch Worte überhaupt nach Außen gegeben werden? Ist der eigene Glaube nicht so intim, dass er persönlich zu wahren ist? Würde durch Worte und Gegenworte vielleicht die Spiritualität „angetastet“? Gründe der Vorsicht lassen viele Männer eher den Mund halten. Sie möchten sich weder blamieren, noch wegen ihrer vielleicht unglücklichen Glaubensaussage von anderen beurteilt werden.
Somit ist das Schweigen vieler Männer oftmals Ausdruck einer Spiritualität, die nicht Taten, wohl aber Worte meidet. Und da viele glaubende Männer nicht nur in ihren Glaubensdingen, sondern auch allgemein sprachlich keine Weltmeister sind, ist ihre Neigung stark, über das Wesentliche – ihren Glauben – gar nicht oder sehr ungern zu sprechen. Und wenn sie darüber sprechen, dann in vertrautem Rahmen und gern im Schulterschluss mit befreundeten Männern (und Frauen).

Taten würdigen

In Kirchengemeinden, die über Worte Glauben vermitteln wollen, fällt die sprachliche Zurückhaltung vieler Männer auf. Sollte die Zurückhaltung mancher Männer anderen Kirchenmitgliedern negativ aufstoßen oder zu Wertungen über Männer und Religiosität und Glaube reizen, ist es gut, an den Evangelisten Matthäus zu erinnern: „Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden“ (Mt 12,36f). Hilfreich ist auch die Forderung aus dem 1. Johannes-Brief: „Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit" (1 Joh 3,18).

Dr. Burkhard R. Knipping, Referent für Beziehungs- und Ehepastoral, Abt. Erwachsenenseelsorge, Generalvikariat des Erzbistums Köln; Mail: burkhard.knipping@erzbistum-köln.de
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Text: Dr. Burkhard R. Knipping
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