Achtsamkeit statt Multitasking

Statt viele Dinge nebeneinander zu erledigen, hilft es, sich auf eine Aufgabe oder eine Begegnung zu konzentrieren

223 Minuten. Das sind fast vier Stunden. Soviel schaut jeden Tag jeder Deutsche im Durchschnitt Fernsehen. Und macht nebenher noch so manches andere. […]

Vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einer jungen Frau. Sie erzählte mir, der Griff zur Fernbedienung sei schon fast ein Reflex, wenn sie nach Hause kommt. Das Fernsehen läuft einfach so im Hintergrund mit. Sie sagte allerdings auch etwas, was mich nachdenklich gemacht hat: Die stetig rappelnde Kiste verhindere inzwischen ein echtes, tief gehendes Gespräch mit ihrem Mann. Zu groß sei die Ablenkung…

Wissenschaftler nennen das Multitasking, das gleichzeitige Tun von mehreren Dingen. Während des Duschens die Morgenandacht hören, während des Frühstücks die Zeitung lesen und auf dem Handy die neuesten Mails prüfen, im Hintergrund das Morgenmagazin im Fernsehen oder Radio. Dieselben Wissenschaftler stellen aber auch fest, dass Menschen, die so leben, letztlich uneffektiv leben und viel schlimmer: wenig achtsam. Das Gehirn schaltet dauernd hektisch zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her und kann nichts mehr richtig wahrnehmen. Die Achtsamkeit geht verloren und das wird dann tragisch, wenn es sich beim Gegenüber nicht um eine Aufgabe, sondern um einen Menschen handelt, oder auch um Gott.

Plötzlich wird bei einem so vermeintlich banalen Thema deutlich: Wie wir leben und Leben gestalten, das hat Auswirkungen auf unsere Beziehungen und auch auf unsere Spiritualität. Jesus forderte seine Zeitgenossen: Sorgt euch nicht um den morgigen Tag, es reicht das Heute! Mit seinen eigenen Herausforderungen und Sorgen. […] Jetzt leben, nicht in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Das ist die Definition von Achtsamkeit. Jesus warnt vor einer frühen Form des Multitasking. Während man arbeitet, Auto fährt, Menschen begegnet, ist man eigentlich nicht im Hier und Heute unterwegs. Sondern grübelt über Vergangenes und Zukünftiges nach.

Wie viel mehr gilt das für unser modernes Multitasking. Wie soll ich einen Film wahrnehmen, wenn ich gleichzeitig eine SMS schreibe? Wie soll ich mein Essen genießen und angeregte Gespräche führen, wenn ich gleichzeitig Zeitschriften lese? Ganz ehrlich: Während ich diese Radioandacht schrieb, ging mein Blick einmal pro Minute zum Mailprogramm: Na, was empfangen? Ich ertappte mich immer wieder dabei! Und stellte fest: Das tut mir nicht gut! Also stellte ich das Mail-Programm aus. Fokussierte mich auf meine eine Aufgabe. Leicht fällt mir das nicht.

Hat das Auswirkungen auf unseren Glauben? Aber ja! Viele Menschen haben eine Sehnsucht nach Ruhe, nach Ankommen bei sich und bei Gott. Das wird aber nur gelingen, wenn wir es zunehmend schaffen, den Alltag verantwortlich zu gestalten und uns solche Inseln der Achtsamkeit im Kleinen zu schaffen. Nur eine Sache machen, die aber fokussiert. Stille aushalten. Die Glaubensväter und auch die Bibel lehren uns, dass wir Gott im Alltag besser begegnen können, wenn wir es vorher in der Stille eingeübt haben. Da fängt es an.

Christof Lenzen, Pastor der Freien ev. Gemeinde Eschweiler
Radioandacht für den WDR vom 21.3.2011
Quelle: http://wegbegleiter.wordpress.com/2011/03/21/wdr2-wdr5-meine-radioandacht-von-montag-21-3-2011/

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Das Schwerpunktthema für März 2012

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Text: Christof Lenzen
In: Pfarrbriefservice.de