Angst
Was mir wirklich hilft
Auf dem Nachhauseweg von einer Geburtstagsfeier. Es ist sehr spät geworden. Durch den Park ist es kürzer, aber der Weg ist teilweise schlecht beleuchtet. Meine müden Beine entscheiden sich für die Abkürzung. Ich tauche also ein in die Dunkelheit und eile entschlossenen Schrittes meinem Ziel entgegen. Es wird still um mich herum. Ich bin alleine. Ich spüre die kalte Nachtluft. Da steigt es schon herauf, dieses beklemmende Gefühl, das mir sogleich Gänsehaut verursacht. Augen und Ohren nehmen nun jede kleine Bewegung und jedes leise Geräusch wahr. Ich bin wieder hellwach. Da, links neben mir, im Gebüsch, hat sich dort nicht etwas bewegt? Unwillkürlich beschleunige ich meine Schritte, der Atem geht schneller und ich spüre mein Herz klopfen …
Harte Wochen der Vorbereitung liegen hinter mir. Morgen ist der Tag der Klausur. Es ist eine der schwierigsten Prüfungen meines Studiengangs, an der ca. 80 % beim ersten Versuch scheitern. Ich lege mich zeitig schlafen, um morgen fit und ausgeruht zu sein. Doch mein Kopf kommt nicht zur Ruhe. Wieder und wieder gehe ich alles nochmal durch. Habe ich auch nichts vergessen? „Oje, dieses eine Thema habe ich mir nicht näher angeschaut. Hatte die Professorin nicht gesagt, dass …?“ Mir wird ganz warm, ich muss mich aufdecken. Mein Blick fällt auf den tickenden Wecker neben mir. Jetzt liege ich schon fast eine Dreiviertelstunde wach. Leicht panisch male ich mir aus, wie ich morgen früh übermüdet aufwache. „Hoffentlich höre ich überhaupt den Wecker…“
Ein lauer Sommerabend. Mein jüngster Sohn ist mit seinen Freunden beim Mountainbiken, irgendwo in unserem Stadtviertel. Ich sitze auf der Terrasse, in mein Buch vertieft. Langsam wird es dunkel und ich muss mir Licht machen. Mein Sohn ist immer noch nicht da, obwohl er doch bei Einbruch der Dunkelheit zuhause sein sollte. Vorne auf der Straße zerreißt ein vorbeirasender Notarztwagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn die Stille. Sofort ist er da, der Gedanke: „Ihm wird doch nichts passiert sein?“ Schon greife ich sorgenvoll zum Telefon, um ihn anzurufen. Da klingelt es an der Tür. „Oje, das wird doch nicht die Polizei sein?“ Doch draußen steht mein Sohn und grinst mich an „Hallo Papa! Tut mir leid, dass es etwas später wurde.“
Mir fallen noch viele solcher Situationen ein, in denen ich Angst verspüre, mal mehr und mal weniger. Angst jemand wegen eines verletzenden Wortes zur Rede zu stellen, Angst mit meiner Arbeit nicht rechtzeitig fertig zu werden, Angst in einer Diskussion meinen Standpunkt zu vertreten, Angst zu kurz zu kommen, Angst vor Jobverlust, Angst vor kleinen und großen Veränderungen. Häufig wird das Gefühl begleitet von Herzklopfen, kaltem Schweiß an den Händen und unter den Achseln, flacher, beschleunigter Atmung. Und wenn es ganz heftig wird: Dem plötzlichen Drang zur Toilette zu müssen, Denkaussetzern, Konzentrationsschwierigkeiten, Wortfindungsstörungen bis hin zu Stottern.
Was also tun, wenn mich die Angst packt? Wenn mein Verstand aussetzt? Wenn ich am liebsten die Flucht ergreifen würde, es aber nicht kann?
Ich tendiere dazu der Angst auszuweichen. Zum Beispiel, indem ich mich zurückziehe, um angstbesetzte Situationen zu vermeiden. Indem ich meine Wünsche und Bedürfnisse unterdrücke, die zu angstbeladenen Konflikten führen könnten. Oder indem ich noch härter arbeite, um das Phantom, das mich ängstigt, nicht wahr werden zu lassen. Doch geht davon die Angst wirklich weg? Im Laufe meines Lebens durfte ich lernen, dass mich die meisten Ängste immer wieder einholen, denen ich zu entkommen versuche. Indem ich mich ihnen nicht stelle, werden sie nur umso aufdringlicher. So habe ich irgendwann beschlossen, Frieden mit ihnen zu schließen. Sie als Teil von mir anzuerkennen. In konkreten Angstsituationen rufe ich jetzt manchmal den vertrauenden Anteil in mir hinzu. Dieses unbedingte „Vertrauen können“ kommt für mich in dem bekannten Gedicht „Von guten Mächten“ von Dietrich Bonhoeffer sehr schön zum Ausdruck.
Und was mir auf Dauer wirklich hilft, ist Beten, Meditation. Indem ich mich leer mache, ganz frei werde für „die Stille hinter der Stille“ (Willigis Jäger). Indem ich loslasse von meinem ängstlichen Ich. Indem ich mich ganz einlasse auf das liebende Gegenüber, das mich gleichzeitig durchdringt und umfängt. Da komme ich zur Ruhe. Da kann ich wieder frei atmen. Da kann ich vertrauen.
Christian Schmitt, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Christian SchmittIn: Pfarrbriefservice.de