Beten geht auch in der Straßenbahn
Schwester Jordana Schmidt im Interview über das Gespräch mit Gott
Noch vor gut 100 Jahren gehörte es selbstverständlich zu jeder Mahlzeit, zum Aufstehen und zum Zubettgehen: das Gebet. Auch heute beten die Menschen noch, viele suchen aber eher im Stillen die Verbindung zu Gott. Schwester Jordana Schmidt, Sprecherin des Worts zum Sonntag, sprach mit katholisch.de über Bittgebete, Herzensangelegenheiten und das Diskutieren mit Gott.
katholisch.de: Schwester Jordana, warum sollen wir eigentlich noch beten?
Sr. Jordana: Um in Beziehung mit Gott zu treten. In einer zwischenmenschlichen Beziehung redet man doch auch miteinander. Genauso sollte man auch mit Gott kommunizieren.
katholisch.de: Darf ich Gott um alles bitten?
Sr. Jordana: Man darf Gott um alles bitten, was einen bewegt, was zum eigenen Leben dazu gehört. Da ist nichts zu unwichtig - Gott sortiert schon selbst. Aber das Bittgebet ist eben nur eine Form von Gebet und immer nur Bitten oder Fordern würde jede Beziehung stören.
katholisch.de: Erwachsene tun sich oft schwer, einfach mit Gott zu sprechen. Wie kommt das?
Sr. Jordana: Viele Erwachsene glauben, sie müssten beim Beten besonders förmlich oder fromm reden. Das hemmt sie. Kinder hingegen haben das Vertrauen, dass Gott einfach da ist und zuhört, und reden drauf los. Daraus könnten Erwachsene lernen.
katholisch.de: Haben Sie dafür einen Tipp, wie das leichter fallen könnte?
Sr. Jordana: Ich stelle mir beim Gebet immer vor, mit jemandem zu sprechen, der mich mag, mit dem ich vertraut bin. Mit diesem Gegenüber kann ich alles teilen - genau wie mit Gott. Ich kann mit ihm diskutieren, streiten oder auch lachen.
katholisch.de: Gibt es eigentlich Dinge, die zu banal sind, als das ich für sie beten darf? Darf ich etwa für den Sieg meines Fußballclubs beten?
Sr. Jordana: Jeder Mensch darf und sollte seinen Alltag, eben alles, was ihn bewegt, ins Gebet mit einbringen. Und wenn mir die Fußballmannschaft wichtig ist, dann darf ich auch für sie beten. Allerdings kann ich Gott nachher nicht die Schuld für eine Niederlage geben.
katholisch.de: Gibt es neben dem Bittgebet auch noch andere Formen des Betens?
Sr. Jordana: Ja, etwa die Anbetungen oder das Jesusgebet, auch Herzensgebet genannt. Beim Herzensgebet wiederholen wir nur ein Wort oder einen Satz. Diese Form hat etwas Meditatives. Ich werde ruhig, entferne mich vom rationalen Denken und spüre echte Gottesverbundenheit.
katholisch.de: Wozu braucht man vorformulierte Gebete?
Sr. Jordana: Sie können eine Hilfe sein. Ich habe es selbst oft erlebt bei sterbenden oder kranken Menschen. Sie haben das Gefühl, selbst keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können. Menschen in solch schwierigen Situationen sind froh über ein vorformuliertes Gebet. Lese ich diese vorformulierten Gebete allerdings nur stoisch ab, ohne eine Intention zu haben, dann ist dies kein Gebet.
katholisch.de: Sind feste Gebetszeiten, wie es sie zum Beispiel in jeder Ordensgemeinschaft gibt, auch als Hilfe gedacht?
Sr. Jordana: Ja, das sind sie. In unserem Orden, den Dominikanerinnen von Bethanien, sind beispielsweise Morgen- und Abendgebet vorgegeben. Sie geben meinem Tag einen Rahmen. Allerdings müssen diese Zeiten nicht unbedingt eingehalten werden – beten kann man nicht unter Zwang.
katholisch.de: Viele gestresste Menschen sagen, sie hätten keine Zeit fürs Beten…
Sr. Jordana: Das ist eine Ausrede. Ich brauche nicht unbedingt viel Zeit. Beten kann man auch in der Straßenbahn oder im Büro. Gott ist überall. Ich habe beispielsweise ein Gebet an meinem Computerbildschirm kleben. Zwischen den Arbeitsschritten fällt mein Blick darauf und ich halte einen kurzen Moment inne, besinne mich, blicke auch manchmal auf das Kreuz an der Wand und werde mir bewusst, dass Jesus bei mir ist.
katholisch.de: Sollte man beim Gebet die Hände falten?
Sr. Jordana: Das ist eine Möglichkeit. Die gefalteten Hände sind ein Zeichen dafür, dass ich mich sammle und besinne. Ich öffne beim Beten gerne die Arme als symbolische Geste dafür, dass ich etwas empfange und offen bin. Aber generell kann man in allen Lebenslagen beten. Wichtig ist, dass man sich wohl fühlt.
katholisch.de: Und welche innere Gebetshaltung sollte ich haben?
Sr. Jordana: Ich muss offen sein und bereit, mit Gott in diese Art der Kommunikation zu treten. Innerlich sollte man still werden, um auch zu hören, was Gott einem sagt.
katholisch.de: Gott sagt mir etwas im Gebet?
Sr. Jordana: Ja, davon bin ich überzeugt. Es ist eine hohe Form von Gebet, selbst keine Worte zu brauchen, sondern darauf zu hören, was Gott von mir will. Im Gebet bilden sich irgendwann Gedanken heraus, die ich Gott zuschreibe und durch die ich für mein Leben Klarheit gewinne.
Das Interview führte Nadine Ortmanns, www.katholisch.de
Zur Person
Schwester Jordana Schmidt, geboren am 6. März 1969 in Grevenbroich, trat 1990 in ein Zisterzienserinnenkloster ein und wechselte 1994 zu den Dominikanerinnen von Bethanien. Seit 2002 ist sie in der Erziehungsleitung des Bethanien Kinder- und Jugenddorfes Schwalmtal-Waldniel. Seit 2006 spricht sie das Wort zum Sonntag in der ARD. Schwester Jordana ist die dritte Ordensfrau in der Geschichte der Sendereihe.
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Text: Nadine Ortmanns, www.katholisch.deIn: Pfarrbriefservice.de