„Beten soll mich öffnen für das, was das Leben mir anbietet“

Ein Interview mit dem Einsiedler und Pater Norbert Cuypers SVD

Pater Norbert Cuypers SVD lebt seit einigen Jahren in der Dörnschlade, einer Einsiedelei. Die Stille prägt sein Fühlen und Sein. Im Interview sagt er, wie die Stille und das Beten ihn verändert haben.

Sie beginnen und beenden Ihren Tag in Stille. Warum ist Stille für Sie so wichtig?

Norbert Cuypers: Wir leben in einer sehr lauten Welt, die sehr im Außen ist. Aber das, was uns als Menschen ausmacht, finden wir nur im Innen, in uns selbst. Die Stille hilft mir, mich zu zentrieren, tiefer in mich zu gehen.

Was finden Sie in der Stille?

Norbert Cuypers: In der Stille lerne ich, nicht zu bewerten, sondern wahrzunehmen. Wenn ich alles loslasse, all meine Gedanken und Emotionen, und tiefer sinke, komme ich zu mir selbst, zu meinem wahren Kern. Ich fühle mich verbunden mit allen und allem. Das sind Momente des inneren Friedens. Ich denke, jeder trägt die Sehnsucht nach diesem inneren Frieden in sich. Sind wir aber immer nur im Außen, finden wir ihn nicht.

Nicht jeder kann Stille gut aushalten.

Norbert Cuypers: Wenn ich versuche, ruhig zu werden, wird es meistens erst mal richtig laut in mir. Ich denke, das ist der Grund, warum viele Menschen meinen, die Stille nicht aushalten zu können. Wenn wir in die Tiefe unseres Selbst eintauchen, kommen auch unsere Ängste, Sorgen und Fehler hoch. Diese Gedanken und Emotionen können uns fesseln. Die Kunst ist, in der Stille nicht an ihnen hängen zu bleiben. Eine ständige Übung, die auch mir nicht immer leichtfällt.

Wie kann ich stille Zeiten in meinen Alltag integrieren?

Norbert Cuypers: Mit Disziplin und Ritualen. Beginnen Sie mit zehn Minuten am Tag, entweder nach dem Aufstehen oder vor dem Schlafengehen. Schaffen Sie eine ruhige Atmosphäre, das kann ein Raum in Ihrem Zuhause sein oder auch der Garten. Schärfen Sie Ihre Sinne, indem Sie Ihre Augen schließen und auf Ihren Atem achten, den Geräuschen des Windes oder der Vögel lauschen oder ganz bewusst eine Blume betrachten. Sie werden überrascht sein, wie der Vogelgesang Sie zutiefst berühren kann oder die Zartheit der Blüten Sie ins dankbare Staunen versetzt.

Schon vor der Einsiedelei haben Sie jeden Tag eine halbe Stunde in Stille verbracht, jetzt sind es mehrere Stunden am Tag. Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert?

Norbert Cuypers: Es ist entspannter geworden. Ich kann Dinge einfach geschehen lassen, bin wacher, präsenter, aufmerksamer, nehme vieles bewusster wahr, freue mich an kleinen Dingen. Wenn beispielsweise ein Kleinkind begeistert auf mein Windrad vor der Klause schaut und dabei die Zeit vergisst, spüre ich eine frohe Dankbarkeit für dieses junge Leben. Dann merke ich, wie wenig ich eigentlich brauche, um zufrieden zu sein. Und dass ich anderen besser helfen kann: Wenn ich innerlich im Frieden bin, kann ich mir auch ruhiger die Sorgen anderer Menschen anhören. Und besser bei ihnen sein.

Wie beginnen Sie Ihre stille Zeit?

Norbert Cuypers: Mit einem Gebet von Nikolaus von der Flüe: „Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.“ – Ich bitte Gott, meine Gedanken und Emotionen von mir zu nehmen, die mich hindern, zu ihm zu kommen. „Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.“ – Ich bitte ihn, mir entgegenzukommen. „Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und nimm mich ganz zu eigen dir.“ – Mein ganzes Ego, mein ganzes Auf-mich-konzentriert-Sein loszulassen, mich ganz diesem göttlichen Flow anzuvertrauen. Nicht, dass ich bei mir hängen bleibe, sondern mich wahrnehme als diesen Teil des Ganzen.

Wenn ich sehr zerstreut bin, hilft es mir außerdem, bewusst auf meinen Atem zu achten. Beim Einatmen: „Du in mir“, beim Ausatmen: „Ich in dir“. Dann wird Beten nicht zum Bitten, ich muss Gott nicht sagen, was er zu tun oder zu lassen hat, er weiß, was ich brauche. Beten soll mich öffnen für das, was das Leben mir anbietet, an Schönem, an Schwerem, und mich hineingeben in den Fluss des Lebens, im Vertrauen, dass da jemand mitgeht, der der Urgrund von dem allem ist.

Interview: Melanie Fox
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Interview: Melanie Fox, Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu
In: Pfarrbriefservice.de