Come back!
Drei gute Gründe, in der Kirche zu sein
Ich werde in den Medien oftmals nach der Situation der Kirche befragt. Ich soll Stellung nehmen zu ihrer Zukunft, zu Kirchenaustrittszahlen und zu dem, was mir als Bischof als pastorale Gegenstrategie dazu einfällt.
Nüchtern betrachtet wird es vermutlich so sein, dass angesichts des wachsenden Pluralismus und des Abschmelzens bisher tragender, gemeinsamer Überzeugungen und Traditionen in den westlichen Gesellschaften Kirchenzugehörigkeit nicht mehr die Regel sein wird. Wir treten in eine Phase der Kirchengeschichte ein, in der sich Gewohnheiten zu Überzeugungen verdichten werden, und sich Traditionen zu neuen Angeboten für den Menschen heute wandeln müssen. Ich frage darum einmal ganz direkt:
Was sind überzeugende Gründe, in der Kirche zu sein?
Ein erster Grund: Weil dort mir das Evangelium verkündet wird, die Botschaft, die mir mein Leben deutet und meinem Leben Sinn und Ziel gibt. Weil dort die Sakramente gespendet werden, die Quellorte eines neuen, übernatürlichen Lebens sind, das ich nicht selbst hervorzaubern kann. Religiosität allein hilft nicht, mag sie noch so modisch werden wie etwa gegenwärtig. Religiosität kann substanzlos und somit Selbsttäuschung sein. Wir sehen ja, was auf dem religiösen Markt derzeit alles angeboten wird.
Darum gilt ein zweiter Grund: Ich bin in der Kirche, weil dort Religiosität „gewartet“ wird. (Ich gebrauche einmal diesen technischen Ausdruck, den jeder Autofahrer kennt). Religiosität ist zunächst einmal eine menschliche Eigenschaft wie es auch andere gibt: Musikalität, sportliches Vermögen, schnelle Auffassungsgabe, Sprachbegabung und ähnliches. Der eine ist mehr religiös veranlagt, der andere weniger. Manche meinen, sie seien überhaupt nicht religiös begabt. Doch vermutlich täuschen sie sich, weil ihr religiöser Sensus aus bestimmten Gründen gleichsam verdorrt und vertrocknet ist.
Religiosität muss sich entwickeln können - in einer Familie, durch Unterweisung und Wissen, durch gottesdienstliche Praxis. Sie muss gepflegt werden, denn sie kann auch verwildern, wie ein Garten, an dem man sich zunächst erfreut, der aber auf längere Zeit ohne Hege und Pflege verkommt und zu einem Dschungel wird, der den Menschen verschlingen kann. Die Grenze zwischen Glaube und Aberglaube, zwischen Entschiedenheit und Fanatismus ist bekanntlich schmal. Ohne die Kirche könnte diese Grenze im Blick auf den christlichen Glauben nicht gewahrt werden.
Und schließlich ein ganz pragmatisches drittes Argument: Es ist gut, in der Kirche zu sein, weil nur gemeinschaftlich der christliche Glaube für eine Gesellschaft prägend sein kann. Natürlich muss Religions- und Bekenntnisfreiheit das Fundament einer Gesellschaft sein, aber eben nicht nur die passive, sondern auch die aktive. Es muss und darf möglich sein, eigene Wertüberzeugungen in das gesellschaftliche Gespräch einzubringen und über Fragen, die uns alle angehen, aus der Perspektive des christlichen Glaubens heraus öffentlich nachzudenken und zu reden. Übrigens: Auch in den Parteien.
Wer den Gott und Vater Jesu Christi kennt, sollte ganz bewusst sagen: Ich möchte auch als Christ eine Rolle spielen in dem gesellschaftlichen Gespräch, das über unsere Zukunft entscheidet, ob und wie diese Zukunft gerecht, human, barmherzig und lebenswert auch für unsere Kinder sein kann.
Mein Wunsch wäre, dass einmal der Johannesprolog umgeschrieben werden könnte: Er kam in sein Eigentum - und die Seinen nahmen ihn auf! Meine Einladung geht an jene, die einmal in der Kirche getauft und aus irgendwelchen Gründen dann den Anschluss verloren haben oder gar ausgetreten sind. Fragen Sie sich einmal, ob nicht auch für Sie ein Comeback möglich sein könnte. Ich kann ihnen als Bischof keinen Millionenvertrag anbieten wie die Automobil-Branche dem Rennfahrer Michael Schumacher bei seinem Comeback. Aber anbieten kann die Kirche etwas, was niemand anderes kann: In Kontakt zu kommen mit dem, der für uns und um unsretwillen in diese Welt gekommen ist, um uns Leben zu ermöglichen, Leben aus einer Freude und Geborgenheit, für die die Weihnachtsfreude nur ein schwacher Abglanz ist.
Bischof Joachim Wanke
Aus der Predigt am 1. Weihnachtstag 2009 im Erfurter Dom. Quelle: www.bistum-erfurt.de
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Text: Bischof Joachim WankeIn: Pfarrbriefservice.de