Das Bergwaldprojekt – ein etwas anderer Urlaub

Ein Interview mit Peter Naumann

Der Wald - die Grundlage unseres Lebens, die Entfremdung des Menschen von der Natur und die heilsame Kraft des Bergwaldprojekts. Darüber spricht Peter Naumann im Interview. Er ist Projektleiter CSR und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit beim Bergwaldprojekt.

Sich im Luxushotel vom anstrengenden Berufsalltag erholen. Am Buffet schlemmen, Wellness genießen, im Meer schwimmen. Wenn die Menschen diese Möglichkeiten haben, warum sollten sie sich stattdessen in ihren Ferien für Natur und Umwelt einsetzen?

Peter Naumann: Leider ist es so, dass Urlaubsreisen einen großen Einfluss auf die Umwelt haben, wenn sie mit dem Flugzeug gemacht werden. Ich glaube, die Leute machen sich im Moment kein Bild davon, in was für einer Situation wir sind. Wir haben ein riesiges Problem mit den CO2 Emissionen der Bevölkerung. Es sind ungefähr 12 Tonnen pro Nase und wir müssten runterkommen auf 2 Tonnen. Unsere Atmosphäre ist extrem mit CO2 und Methan belastet und wir arbeiten sehr stark daran, dass dadurch alle ökologischen Systeme kippen. Deswegen haben wir die Problematik mit dem Trinkwasser, mit heißen Sommern, mit Stürmen.

Daran wird sich in der Zukunft nicht viel ändern.

Aber wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen. Ich bin kein Prophet, wenn ich sage, dass wir in 15 Jahren nicht mehr so leben können, wie wir es heute tun. Das wird eine ganz andere Welt sein. Wir werden uns in unseren Verhaltensweisen ganz stark verändern müssen, um den Planeten nicht völlig zu vernichten.

Und das Bergwaldprojekt rettet die Welt?

In den Bergwaldprojekten versuchen wir den Leuten ohne den erhobenen Zeigefinger aufzuzeigen, welche Bezüge die Menschen zur Natur haben. Und was ihre Bezüge zu sich selbst sind.

Wie gelingt das?

Das Bergwaldprojekt ist ein Verein, der seit 30 Jahren mit Freiwilligen im Wald arbeitet. Die Leute können sich zum Beispiel als Freiwillige anmelden und eine Woche mit Gleichgesinnten bestimmte Arbeiten ausführen. Die zweite Möglichkeit ist die Waldschule. Alle Bildungsträger können Jugendlichen ab der achten Klasse anbieten, sich an Waldschutzarbeiten zu beteiligen.

Und welche Arbeiten sind das, die Freiwillige übernehmen?

Das sind verschiedene Aufgaben. Das kann Waldumbau sein, also Pflanzung. Das kann Pflege sein, Bäume ausschneiden, um andere zu fördern. Das kann Biotoppflege sein. Das kann die Wiedervernässung von Mooren sein. Wir versuchen, dass die Leute mehrere Arbeiten in der Woche machen und somit die ganzen Aspekte vom Ökosystem Wald kennenlernen.

Aber die Menschen kennen doch das Ökosystem Wald.

Die Leute haben eine Sehnsucht nach dem Wald, aber sie wissen sehr wenig über ihn. Die Wenigsten wissen, dass er die Grundlage unseres Lebens ist. Weil Pflanzen, Tiere und Pilze so entscheidend miteinander arbeiten. Trinkwasser, Erosionsschutz, Holz und Artenvielfalt - das sind auch die Grundlagen, auf denen unsere Gesellschaft aufbaut.

Haben die Menschen den Zugang zur Natur über die Jahre verloren?

Ja, ich würde sagen drei Viertel der Menschen. Bei den Erwachsenen gibt es eine große Entfremdung von der Natur. Es ist erschreckend.

Woran liegt diese Entfremdung?

Wir haben eine virtuelle Welt, mit der wir uns auseinandersetzen. Besonders für die Jüngeren ist die virtuelle Welt, die nicht existiert, real. Deswegen ist eine Woche Bergwaldprojekt sehr heilsam. In den Schülerwochen sammeln wir zum Beispiel am ersten Abend die Smartphones ein und geben sie am Ende der Woche an die Schüler zurück. Davor motzen alle (lacht). Aber es gab noch nie jemanden, der sich danach darüber beschwert hat, denn die Jugendlichen merken, dass es toll ist.

Das bedeutet: Das Bergwaldprojekt bewirkt bei den Menschen etwas, arbeitet in ihnen.

Ja. Das Projekt macht etwas sehr Positives mit den Leuten. Sie merken, dass sie im Bergwaldprojekt etwas Sinnvolles tun. Sie erkennen ihre körperlichen Grenzen. Sie machen tolle geistige Erfahrungen. Sie sehen plötzlich das ganze unnütze Zeug, mit dem sie sich die ganzen Jahre beschäftigt haben. Sie erkennen neue Welten.

Und gehen verändert in ihren Alltag zurück?

Wenn Sie so etwas eine Woche gemacht haben, gehen Sie positiv verändert in den Alltag zurück. Die Erfahrungen sind nicht wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Da verdampft nichts. All diese Erfahrungen tragen die Leute ins eigene Leben. Sehr, sehr oft verändern sie ihr Alltagsverhalten, ihren beruflichen Alltag. Sie machen eine Fortbildung, suchen sich einen anderen Job. Wir haben sehr viele, die auf grüne Berufe umsatteln.

Die Menschen erkennen, dass sie als Einzelner etwas tun können. Dass es wichtig ist, dass sie etwas tun.

Ja, das Große am Bergwaldprojekt ist, dass es ein unfassbarer Hebel für die Nachhaltigkeit eines jeden Einzelnen ist. Denn sie merken, dass es nicht egal ist, wie sie sich verhalten. Das ist in dieser Zeit sehr wichtig. Viele Leute fühlen sich ohnmächtig. Sie denken: Ich kann sowieso nichts machen und die Politik macht nichts. Aber, wenn sie so eine Woche machen, stellen sie fest, dass nicht nur die Politik gefragt ist, sondern auch sie selbst und dass sie ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit besitzen.

von: Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Ronja Goj
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