Das geht dich nichts an
Du willst wissen, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene, wie viel Geld ich auf der Bank gehortet habe, wie alt ich bin, unter welchem Sternzeichen und wo ich geboren wurde, welche Zusatzausbildung ich habe?
Das geht dich nichts an. Damit willst du nur deine Schubladen öffnen und mich hinein stecken, weil du denkst, jetzt kennst du mich. Ich will, dass du mich fragst, ob ich träumen kann und ob ich es wage, mich der Sehnsucht meines Herzens zu stellen. Ob ich fähig bin, dich zu enttäuschen, um mir selber treu zu bleiben. Ich will, dass du mich fragst, wie ich mit meinem Scheitern leben kann und trotzdem auf der Brücke stehen bleibe. Bitte, frage mich doch, ob ich aufstehen kann, nach einer Nacht der Verzweiflung, erschöpft und zerschlagen, und das tue, was ich zu tun habe. Frage mich, was mich ganz tief drinnen zusammenhält, wenn alles von außen wegfällt und ob ich mich in solchen Momenten trotzdem aushalten kann. Warum fragst du mich nicht, welcher Mensch ich bin, hinter all deinen Schubladen.
Siglinde Reck
Quelle: Straßenkreuzer – Das Sozialmagazin, Jahrgang 22 / Heft 6, Juni 2015, www.strassenkreuzer.info, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Siglinde ReckIn: Pfarrbriefservice.de