Wegschauen, weiterlaufen – das sind wohl verbreitete Verhaltensweisen, wenn man in einer Stadt obdachlosen Menschen begegnet. Manche Gedanken schießen einem durch den Kopf. Aber letztlich bleibt es beim Nichthinsehen, Nichtwahrnehmen (wollen). Die Materialien dieses Monatsthemas ermuntern dagegen, genauer hinzuschauen. Wer sitzt da? Was macht das mit mir? Wie kann ich mich verhalten? Die Texte, Bilder, Links und Tipps liefern Anstöße, obdachlose Menschen, auch als christliche Gemeinde, in den Blick zu nehmen.
Rubrik: Schwerpunktthemen
Nicht wegsehen: Obdachlosigkeit in der Stadt
Das Schwerpunktthema für Februar 2016
am 18.11.2015 - 20:23Bilder
Texte
Tipps
Der Buchtipp: Unsichtbar – Vom Leben auf der Straße
Der Fotograf Reto Klar und die Autorin Uta Keseling führten im Februar 2014 Interviews mit den Gästen der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo in Berlin. Entstanden sind 52 Foto-Porträts von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen alles im Leben verloren haben. Die Fotografien zeigen die Menschen in schwarz-weiß, auf Augenhöhe. In kurzen Statements geben die Betroffenen Auskunft über ihre Situation, ihre Ängste und Hoffnungen. In einer Reportage schildern die Autoren außerdem den Alltag in der Bahnhofsmission am Zoo, die eine der größten Einrichtungen dieser Art deutschlandweit ist. Täglich bekommen hier bis zu 600 Gäste Rat und Hilfe, Kleiderspenden und warme Mahlzeiten. Der Reinerlös aus dem Verkauf des Buches kommt den Bahnhofsmissionen in Deutschland zugute.
Reto Klar, Uta Keseling: Unsichtbar. Vom Leben auf der Straße. 52 Berliner Obdachlose im Porträt, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude, 2014, 2. Aufl.. Hardcover, 128 Seiten, ISBN 978-3-88132-981-1, 19,80 Euro
Das Buch ist nominiert für den Deutschen Fotobuchpreis 2015
Einzelne Bilder aus dem Buch sind hier zu sehen: http://www.evangelisch.de/galerien/111819/16-01-2015/obdachlos-vom-lebe…
Auf unsichtbar.morgenpost.de zeigen die Autoren die Porträtierten in einem besonderen Videoprojekt. Außerdem gibt es aktuelle Informationen zum Projekt.
Tipps für Pfarrbriefredaktionen
Angebote in der Pfarrei
- Engagiert sich Ihre Pfarrei für Obdachlose oder für arme Menschen? Stellen Sie die Unterstützungsangebote kurz vor. Welche Hilfe wird geboten? Wer kann sie in Anspruch nehmen? Wer ist der/die Ansprechpartner/-in? Wie sind die Kontaktdaten und ggf. die Öffnungszeiten?
- Wer sind die Menschen hinter diesen Hilfsangeboten? Bitten Sie sie, sich, ihre Motivation und ihre Erfahrungen kurz für den Pfarrbrief vorzustellen. Oder führen Sie mit einem/einer von ihnen ein Interview.
An der Pfarrhaustür
Wenn Obdachlose am Pfarrhaus klingeln, was passiert dann? Bekommen sie Geld? Oder Essen? Gutscheine? Ist eine Zunahme an Anfragen zu beobachten? Wer klingelt? Fragen Sie nach, wie solche Fälle in Ihrer Pfarrei gehandhabt werden, ob es dafür ein Budget gibt und ob die Unterstützung von Ehrenamtlichen gefragt ist.
Umfrage
Sammeln Sie Stimmen aus Ihrer Pfarrei. Bitten Sie einige Menschen, für den Pfarrbrief den Satz zu vollenden: „Wenn ich einen Obdachlosen sehe, …“ Veröffentlichen Sie die kurzen Statements mit Angaben zur Person (Name, Alter, Beruf) und nach Möglichkeit mit Bild.
Interview
Gibt es bei Ihnen obdachlose Menschen, die immer wieder zu sehen sind? Vielleicht sind sie bereit zu einem Gespräch, das im Pfarrbrief veröffentlicht wird. Mögliche Fragen:
- Wo werden Sie heute Nacht schlafen?
- Was wünschen Sie sich für Ihr Leben?
- Wenn Sie die Menschen beobachten, die an Ihnen vorbeigehen, was geht Ihnen da so durch den Kopf?
- Brauchen Sie Hilfe und wie könnte die aussehen?
In einem Infokasten zum Interview können Sie Angaben zur Person machen, die Sie im Gespräch erfragen: Name, Alter, Geburtsort, Geburtsjahrgang, evtl. Beruf, Dauer der Obdachlosigkeit. Denken Sie auch an ein Bild.
Schuldnerberatungsstellen
Veröffentlichen Sie die Adressen und Öffnungszeiten der Schuldnerberatungsstellen in der Nähe. Sie erfährt man im Internet unter http://www.bag-sb.de/index.php?id=24 oder beim örtlichen Sozialamt.
Filmtipp des Kath. Filmwerks: Kleingeld
Berlin: Ein leitender Bankangestellter macht es sich zur Gewohnheit, einem bettelnden Obdachlosen nach Dienstschluss ein Almosen zu geben. Aus Dankbarkeit säubert der Bettler den Wagen des Bankers. Der fühlt sich durch diese Vertraulichkeit gestört, lässt den Obdachlosen aber gewähren. Als der Banker eines Tages nur einen Hundertmarkschein in seinem Portemonnaie findet, sich daraufhin fortstiehlt und schließlich versehentlich den Obdachlosen anfährt, findet das geregelte Nebeneinander von Arm und Reich ein jähes Ende.
Deutschland, 1998, 15 Minuten
Ein Film von Marc-Andreas Bochert
Produktion: HFF "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg
empfohlen ab 12 Jahren
Erhältlich ist die DVD des Films unter http://lizenzshop.filmwerk.de/shop/detail.cfm?id=403 oder in Ihrer Medienzentrale.
Links
Rat bei Überschuldung
Wichtige Informationen bei Überschuldung bietet im Internet www.meine-schulden.de. Es handelt sich um ein Angebot der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung mit Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Schuldnerberatungsstellen in der Nähe erfährt man im Internet unter http://www.bag-sb.de/index.php?id=24 oder beim örtlichen Sozialamt.
Stadtführungen von Obdachlosen
In größeren Städten bieten gemeinnützige Vereine oder Straßenzeitungen Stadtführungen an, in denen (ehemalige) Obdachlose ihren Blick auf die Stadt vermitteln. Die Rundgänge sollen auch dazu beitragen, Vorurteile und Unsicherheiten abzubauen und zu verschiedenen Themen ins Gespräch zu kommen.
Nähere Informationen z.B.
- für Berlin unter http://querstadtein.org/,
- für München unter http://biss-magazin.de/projekt/stadtfuehrungen,
- für Nürnberg unter http://www.strassenkreuzer.info/stadtfuehrungen.html,
- für Frankfurt unter http://strassenblick.de/.
Selbstversuch: Betteln in Berlin
Unter dem Motto „Stell dir vor, du lebst auf der Straße“ startete die junge Kunsthochschulstudentin Cristin Nicole Sauer im Winter 2012 einen Selbstversuch und bettelte 16 Tage lang jeweils drei Stunden an verschiedenen Orten Berlins. Was sie in dieser Zeit erlebt hat, kann man in einem Online-Tagebuch nachlesen.