Das können Betroffene tun
Für Betroffene ist es nicht einfach, den Teufelskreis Mobbing aus eigener Kraft zu durchbrechen. Die einen suchen die sachliche Aussprache mit den Mobbern. Andere wehren sich lautstark mit Worten. Einige suchen die gütliche Einigung mit dem Mobber. Nur wenige halten Angriff für die beste Verteidigung und mobben zurück. Und einige ganz Verzweifelte gehen den Mobber körperlich an …
Wirklich erfolgreich ist diese direkte Selbsthilfe nur in den seltensten Fällen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: In mehr als vier von fünf Mobbingfällen scheitern diese Versuche. Eigentlich kein Wunder, schließlich gehört es zum Wesen des Mobbings, dem Opfer kaum eine Chance der Gegenwehr zu lassen. Schikanen werden kleingeredet oder der überspannten Fantasie des Opfers zugeschrieben. Oft werden die Attacken auch einfach geleugnet nach dem Motto: Wo kein Opfer ist, da findet sich auch kein Täter.
Trotz der (statistisch) geringen Erfolgsaussichten sollten sich Betroffene dennoch nicht von der direkten Selbsthilfe abhalten lassen. Gerade im Anfangsstadium lassen sich Konflikte vielleicht doch noch durch ein klärendes Gespräch lösen und das Mobbing „abbiegen“. Ein Versuch ist es allemal wert, zumal es für das eigene Selbstbewusstsein immer besser ist, aktiv zu werden, als die Feindseligkeiten einfach nur passiv zu erleiden.
Neben dem Versuch, die Situation durch eigenes Zutun zu deeskalieren, sollten Betroffene auch daran denken, das Mobbing für andere offensichtlich zu machen. Schließlich ist es nicht ausgeschlossen, dass der eigene Fall eines Tages Gegenstand eines Arbeitsgerichtsprozesses wird. Dann ist es sinnvoll, Zeugen für bestimmte Vorgänge zu haben oder auch eigene schriftliche Aufzeichnungen vorlegen zu können.
Neben Deeskalation und Beweissicherung ist es für Betroffene wichtig, sich selbst zu „entstressen“. Schließlich ist eine Mobbingsituation eine erhebliche Belastung für Körper und Seele, der es entgegenzutreten gilt. Deshalb sollten Betroffene alle Möglichkeiten der Entspannung und Ablenkung nutzen, damit das Mobbing nicht zum beherrschenden Thema im Leben wird.
Wer alleine nicht weiterkommt, sollte sich zunächst im Betrieb nach möglichen Helfern umschauen. Vermutlich gibt es Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht am Mobbing beteiligt haben. Oft hilft es schon, sich diesen mitzuteilen, ihnen die Situation zu erklären und sie vielleicht als „Verbündete“ zu gewinnen. Das hebelt zwar den Mobbingprozess nicht aus, führt aber erst einmal aus der zermürbenden Isolation heraus. Auch ist es immer besser, zuerst mit den Kolleginnen und Kollegen zu sprechen - bevor es die mobbende Person tut …
Dort, wo es sie gibt, sollten natürlich auch Betriebsärzte/-innen und Psychologen/-innen ins Vertrauen gezogen werden. Darüber hinaus kommt der oder die Vorgesetzte als Ansprechpartner/-in in Sachen Mobbing infrage. Schließlich sollte es im Interesse der Abteilungsleitung liegen, dass produktiver Frieden statt destruktive Zwietracht herrscht. Handelt es sich beim Vorgesetzten und beim Mobber um ein und dieselbe Person - leider keine Ausnahme - ist es wahrscheinlich, dass sich die Geschäftsführung bzw. die Personalleitung für die Vorfälle interessiert. Denn Vorgesetzte sollen motivieren statt schikanieren, schlichten statt spalten, entscheiden statt entzweien. Mobbende Vorgesetzte sind insofern ungeeignet für die ihnen anvertrauten Aufgaben, was die Geschäftsführung wissen sollte. Den Weg zur Geschäftsleitung braucht im Regelfall niemand allein anzutreten, Unterstützung bietet der Betriebs- bzw. Personalrat, der selbstverständlich frühzeitig einbezogen und informiert werden sollte.
Neben der innerbetrieblichen „Unterstützerszene“ sollten natürlich auch die außerbetrieblichen Hilfemöglichkeiten genutzt werden. Neben der Familie oder dem Partner kommen hier eine ganze Reihe von Anlaufstellen in Betracht: z.B. Hausarzt, Psychologe, Gewerkschaft, Rechtsanwalt, Mobbingberatungsstellen und Selbsthilfegruppen. Die Hilfen können je nach Ansprechpartner von der wichtigen seelischen Unterstützung über eine fundierte Rechtsberatung, z.B. im Kündigungsfall, bis hin zur Vermittlung persönlicher Bewältigungsstrategien reichen. Wie hilfreich außerbetriebliche Ansprechpersonen sind, unterstreicht der Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Danach hat ungefähr jede/-r zweite Mobbingbetroffene Rat und Tat der angesprochenen außerbetrieblichen Personen/Institutionen als hilfreich erlebt.
Direkte Gegenwehr der Betroffenen, Hilfestellung von Kollegen und Kolleginnen sowie Unterstützung vom sozialen Umfeld wie Familie, Freunde und Lebenspartner können die Situation entspannen, in einigen Fällen den Teufelskreis Mobbing sogar durchbrechen. Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass in mehr als 50 Prozent aller Mobbingfälle erst die Kündigung bzw. die Auflösung des Arbeitsvertrages den Psychoterror am Arbeitsplatz beendet.
Und auch eine andere Zahl stimmt nur wenig optimistisch: Nur knapp 20 Prozent der Mobber wurden dem Mobbing-Report zufolge ihrerseits mit arbeitsrechtlichen Sanktionen belegt - ihnen wurde gekündigt bzw. sie wurden versetzt. Allein diese Zahlen verdeutlichen: Wenn sich Mobbing erst einmal ausgebreitet hat, ist es nur schwer zu bekämpfen.
Quelle: Broschüre „Wenn aus Kollegen Feinde werden … Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing“, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 6. Auflage. Dortmund: 2010. http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A12.html
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Text: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ArbeitsmedizinIn: Pfarrbriefservice.de