Der Frühjahrsputz

„Einen Frühjahrsputz als Fastenvorhaben? Kannst du nicht wie andere auch auf Alkohol oder Naschkram verzichten?“, mokiert sich meine Nachbarin. Könnte ich – aber Schokolade mag ich sowieso nicht, und sieben Wochen ohne Alkohol fallen mir auch nicht schwer. Ich möchte Ballast abwerfen in dieser Fastenzeit, inneren und äußeren. Viel hat sich angesammelt, das mich nicht mehr frei atmen lässt, mich besetzt und mir den Blick nach vorn verstellt. „Wer sein Leben in Ordnung bringen will, der muss erst einmal sein Haus aufräumen“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Also werde ich in meinem Keller anfangen.

Überbleibsel meines bisherigen Erwachsenenlebens stapeln sich dort: Unterlagen vom Studium, muffig nach einem Wasserschaden. Rostige Schlittschuhe. Kartons mit Briefen von Menschen, deren Gesichter ich nicht mehr erinnere. Angeschlagenes Geschirr und Winterreifen für ein Auto, das schon vor Jahren verschrottet wurde. Manches, was noch zu gebrauchen ist, werde ich verschenken. Nur Weniges soll bleiben und einen neuen Platz finden. Mein alter Kinderschlitten. Der Werkzeugkasten meines Vaters. Dann werde ich die Wände weißen, das Fenster putzen und mich auf den Frühling freuen.

Misha Leuschen
aus: Eine Fastenbroschüre, Verein Andere Zeiten 2008, www.anderezeiten.de

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Text: Misha Leuschen
In: Pfarrbriefservice.de