Der Weg zum Glück oder

„Alles hat seine Zeit...“

In einem fernen Land lebte einst ein König. Dieser trauerte bereits seit langer Zeit um seine einzige Tochter. Bedrückt und untröstlich saß er Tag für Tag am Fenster und regte sich nicht.
„Kopf hoch!” sagten die einen,
„Wird schon werden.” die anderen.
„Lenk dich ab!” rieten ihm die dritten, „dann wird´s Dir bald besser gehen.”
„Sie werden recht haben”, dachte sich schließlich der König. Und er begann, seine Zeit mit allem, was sich ihm anbot, zu füllen.
Fortan ging er dreimal wöchentlich zur Jagd, amüsierte sich mit den königlichen Hofdamen und maß im Kampf mit seinen Fechtmeistern täglich seine Kräfte. Jede Minute war schließlich ausgefüllt und dennoch wollte das dumpfe Gefühl in seinem Herzen nicht weichen. Im Gegenteil, sein Zustand verschlechterte sich zusehends und eine kalte Gefühllosigkeit kroch ihm durch alle Glieder.
In seiner Not suchte er schließlich eine alte Einsiedlerin auf, die weit über die Grenzen des Königreiches hinaus für ihre Weisheit bekannt war.
Und während er noch von seinem Elend berichtete, nahm sie zärtlich seine Hand und sagte:
„Mein lieber Mann, vieles hast Du getan, um Dein Glück zu machen. Das wahre Glück unseres Lebens aber wird uns geschenkt. Denn alles hat seine Zeit und alles seine Stunde. Was aber in diesem Augenblick zu tun das Richtige ist, erfahren wir nur, wenn wir auf die innere Stimme unserer Gefühle hören und ihr folgen. Deshalb geh´ nach Haus und nimm Dir Zeit, dann wird Dir geschenkt werden, was Du brauchst. Schon bald wirst Du die Stimme Gottes hören, die Dir den Weg zum Leben weist.”
Der König tat, wie die weise Alte ihm geheißen hatte. Und noch während er hinausging, erinnerte er sich an die Berührung ihrer Hand, und er begann zu weinen. Sieben Tage und sieben Nächte lang weinte er ohne Unterlaß. Schließlich spürte er eine Leere, die ihn mit Gelassenheit und tiefem Frieden erfüllte. Seine Beschwerden aber waren verschwunden.
„Ja”, dachte er, „alles hat seine Zeit. Und was wir brauchen, wird uns geschenkt, wenn wir bereit sind zu empfangen.”
 
„Jeder ist seines Glückes Schmied”
 
Dieses alte Sprichwort verweist uns darauf, dass wir selbst etwas dazu tun müssen, wollen wir in unserem Leben glücklich und zufrieden werden.
Wie alles aber verkehrt sich auch diese Weisheit in ihr Gegenteil, wenn wir versuchen, unser Glück allein aus eigener Kraft und nach eigenem Ermessen zu „machen”. Die unserer Gesellschaft und uns selbst immanente Sehnsucht nach mehr Geld und damit noch mehr Freiheit und Konsum gerät nur zu leicht zur Vermessenheit, zur Vergnügungsfahrt ins Glück, bei der wir selbst auf der Strecke bleiben.
Der Prediger Kohelet „erlöst” uns im Namen Gottes von diesem Größenwahn. Er weist uns darauf hin, dass Gott alles zu seiner Zeit auf vollkommene Weise getan hat. Glück und Erfüllung liegen demzufolge darin, den jeweiligen Augenblick in seiner ganzen Fülle anzunehmen bzw. zu genießen. Die Angst, etwas zu verpassen, ist Kohelet fremd. „Alles hat seine Zeit”, und zu jeder Zeit erhalten wir das, was wir gerade brauchen, wenn wir erspüren, was in diesem Augenblick für uns das Richtige zu tun ist.
 
Marianne Willemsen

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Dezember 2016 und Januar 2017

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Text: Marianne Willemsen
In: Pfarrbriefservice.de