Die Stille erleben

Einige Städte in Deutschland bieten dafür eigene Wochen – Ein Interview mit der Karlsruher Koordinatorin Barbara Fank-Landkammer

Karlsruhe, Freiburg, Trier, das Saarland, Konstanz, Frankfurt, Wiesbaden, Oldenburg – diese Städte und Regionen verbindet das Angebot einer sogenannten Woche der Stille einmal im Jahr. Unterschiedliche Gruppen und Menschen mit kirchlichem und nichtkirchlichem Bezug organisieren ein Programm, das es Menschen ermöglicht, inmitten von Hektik und Alltagslärm kleine Ruheinseln zu entdecken. Die Ehe-, Familien- und Lebensberaterin Barbara Fank-Landkammer koordiniert die Woche der Stille in Karlsruhe. Ein Interview mit ihr über die Gründe, ihre Erfahrungen und was Stille für sie persönlich bedeutet.

Wie kam es 2017 zur ersten Woche der Stille in Karlsruhe?

Barbara Fank-Landkammer: Ich hatte selbst eine solche Woche in Freiburg erlebt, als ich dort noch arbeitete. Die Veranstaltungen haben mich sehr angesprochen, weil ich einen persönlichen Zugang zu Kontemplation und Stille habe. Als ich 2016 wegen der Arbeit nach Karlsruhe ging, brachte ich die Idee einer Woche der Stille ein. Dies geschah im Rahmen des Stadtklosters Karlsruhe. Die Idee fand Unterstützung und offene Türen bei vielen weiteren Kooperationspartnern, nicht nur aus dem kirchlichen Bereich. Da haben wir gemerkt: Es gibt ein großes Interesse an Stille. Unsere Vision war von Anfang an, eine Woche der Stille zu machen nicht nur mit Angeboten der Kirchen, sondern offen zu sein für alle. Inzwischen ist auch die Universität dabei und es kommen immer wieder neue Angebote dazu. Etwa 40 Personen zählen mittlerweile zum Kreis der Anbieterinnen und Anbieter.

Wie erklären Sie sich das große Interesse an Stille? Hat es Sie überrascht?

Barbara Fank-Landkammer: Überrascht nicht. Es hat mich gefreut. Vor Corona gab es einen großen Wunsch nach Unterbrechung und Entschleunigung, weil man ein Zuviel an Aktivismus in seinem Alltag erlebt hatte. Es fehlte der andere Pol, der es erlaubt zu schauen, was wesentlich ist. Nach Corona ist es vermutlich mehr der Wunsch, die Stille nicht allein zu erleben. Manche hatten ja durch die Isolierung zu viel Stille und Alleinsein.

Was ist Ihnen wichtig bei der Woche der Stille?

Barbara Fank-Landkammer: Stille soll erlebt werden können. Das ist wichtig. Und wichtig finde ich, dass man die Wahl hat zwischen unterschiedlichen Formen. Manchmal wird die Stille als etwas Exklusives gesehen, was nur manche Menschen aushalten können. Aber das stimmt nicht. Man kann immer wieder einen Bezug zur Stille finden, wenn man die passende Form für sich entdeckt. Was dann in der Stille passiert bei jedem einzelnen, ist verschieden. Das hängt davon ab, in welcher Lebenssituation man zum Beispiel gerade ist oder ob man geübt ist, in die Stille zu gehen. Es wäre vermessen, wenn wir als Veranstalter festlegen wollten, was in der Stille zu geschehen hat. Stille hat für mich viel mit Zutrauen und Hoffnung zu tun, und auch mit Ermächtigung, dass jede und jeder zur eigenen Spiritualität findet.

Welche Art von Stille erleben die Teilnehmer?

Barbara Fank-Landkammer: Stille ist ein Prozess. Meist kommt man direkt aus dem Alltag, wenn man in eine Veranstaltung der Woche der Stille geht. Im ersten Moment spürt man vielleicht Erleichterung oder Entspannung, dass man sich um nichts anderes jetzt kümmern muss. Doch irgendwann sind die Reste des Alltags mit seinen Aufgaben und Fragen im Kopf wieder da. Die Gefahr ist, dass man dort hängen bleibt und denkt: In der Stille suche ich jetzt die Lösung. Doch darum geht es nicht. Ziel ist die tiefere Stille, das Bei-sich-Ankommen. Da kann der Körper eine große Unterstützung sein, indem ich beispielsweise meinen Atem spüre oder, falls es Musik gibt, sie auf mich wirken lasse. So entwickelt sich eine innere Haltung, bei der ich nichts mehr tun und entscheiden muss, sondern einfach nur da bin und darauf vertraue, dass mir etwas entgegenkommt. Diesen Zustand empfinden Menschen als wohltuend, als ein Gefühl von Zeitlosigkeit. Manchmal erleben wir so etwas auch spontan, beispielsweise in der Natur. Plötzlich ist der Moment ganz intensiv und man spürt, mehr braucht es nicht, einfach genießen. Das kann Frieden geben. Ob die Stille etwas verändert, spüren wir erst danach. Vielleicht hat sich der Horizont geweitet oder Dinge lassen sich leichter sortieren. Wichtig ist, dies nicht von der Stille zu erwarten, sondern sich absichtslos hineinzubegeben und sich beschenken zu lassen.

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Woche der Stille?

Barbara Fank-Landkammer: Die Rückmeldungen der Anbieterinnen und Anbieter sind wunderschön. Viele berichten, dass man als Gruppe eine Intensität erlebt, die selten im Alltag vorkommt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind oft sehr dankbar. Uns bestärken diese Rückmeldungen, weiterzumachen, weil man sieht, dass das, was man erhofft, auch passiert.

Wer nutzt die Angebote?

Barbara Fank-Landkammer: Es gibt Angebote, zu denen auch jüngere Menschen kommen. Aber ich würde sagen, die Mehrheit ist älter als 40 Jahre. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass man in dieser Lebensphase sich mehr und anders auf diese Tiefendimension einlässt. Wie unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer konfessionell gebunden sind oder welche Berufe sie haben, wissen wir nicht.

Was ist Stille für Sie persönlich?

Barbara Fank-Landkammer: Für mich ist In-die-Stille-gehen ein Nach-Hause-kommen. Anders kann ich es nicht ausdrücken. In der Stille und auch in der Verbundenheit mit Gott, die dann einfach da ist, habe ich das Gefühl: Jetzt bin ich daheim.

Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de

Mehr Informationen zur Woche der Stille in Karlsruhe unter https://stille-in-karlsruhe.de/.

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de