Es ist ein Anfang
Wenn die ehrliche Frage „Wie geht es dir?“ nicht ausreicht
Die vermeintlich doch so einfache Frage „Wie geht es dir?“ kam mir dieses eine Mal wirklich schwer über die Lippen. Nicht, weil sie schwierig ist oder ich nicht ehrlich an meinem Gegenüber interessiert bin – ganz im Gegenteil. Es fiel so schwer, weil ich das Gefühl hatte, dass eben dieses „Wie geht es dir?“ nicht genug ist. Tatsächlich gibt es keinen richtigen thematischen Graben zwischen mir und meinem Verwandten.
Er liegt mir sehr am Herzen, eben auch, weil ich weiß, dass er es in der Familie nicht leicht hat, milde ausgedrückt. Hin- und hergerissen zwischen zwei Elternteilen, wenig Zuspruch von beiden Seiten. Egal, was er tut. Harte Worte, wenig Liebe, kurz gesagt. Dass man gerade in der Jugendzeit rebelliert, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch in den letzten paar Jahren hat er sich sehr verändert. Ich mich auch. Ich bin von zuhause weggezogen, habe ein neues Leben begonnen.
Und immer das leichte Gefühl gehabt, dass ich ihn im Stich ließ. Aus der Ferne konnte ich nicht wirklich helfen. So sehr ich das auch versuchte, er entglitt immer mehr, mir und allen anderen um ihn herum. Es wurde alles egal, zu tieferen Gesprächen kam es einfach nicht mehr, wurde irgendwie unmöglich. Oberflächliches Witzeln können wir gut miteinander, aber das war es dann auch schon wieder. Er schloss alle um sich aus seinem Leben aus, stumpfte ab. Das mitanzusehen tut irrsinnig weh.
Vor allem, wenn die einzig für ihn interessanten Dinge Videospiele, Alkohol oder was weiß ich noch sind. Nach Monaten, in denen wir keinen Kontakt hatten, versuche ich gerade, mich ihm wieder anzunähern. Da ist dann die Frage „Wie geht es dir?“ die offensichtliche Wahl für den Einstieg in einen Dialog. Auch wenn es so viel mehr gibt, das ich ihn fragen, das ich ihm sagen möchte.
Aber es ist ein Anfang. Mit nur einer Stunde Gespräch wird unser Verhältnis wahrscheinlich nicht langfristig besser werden. Trotzdem ist es mein Versuch, ihm zu signalisieren, dass ich ihn nicht aufgegeben habe und daran glaube, dass wir uns wieder annähern können. Weil ich mir das so sehr wünsche und hoffe, dass er es auch tut. Jetzt kann ich nur hoffen, dass aus diesem oberflächlichen Abklopfen der Befindlichkeiten bald wirklich ein Gespräch werden kann, das diese Wieder-Annäherung ermöglicht.
Autor/Autorin anonym
Quelle: www.ziemlichbestegeschichten.at, In: Pfarrbriefservice.de
Die österreichische Akademie für Dialog und Evangelisation sammelt unter ziemlichbestegeschichten.at Berichte, die von Gesprächen trotz aller Unterschiede erzählen. Herausragende Geschichten werden vom Bestseller-Autor von „Ziemlich beste Freunde“, Philippe Pozzo di Borgo, prämiert.
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