Frauen in Kirche und Gesellschaft:
Was lehrt uns die Corona-Zeit?
Wie sind Kirche und Gesellschaft mit den Anforderungen in der Corona-Krise klargekommen? Was sind die Lehren, gerade im Hinblick auf die Rolle der Frauen? Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, hat dazu eine deutliche Meinung.
Wie und wo haben Sie in den vergangenen Wochen der Krise die Kernbotschaften des Christentums und entsprechendes Handeln wahrgenommen und erlebt?
Agnes Wuckelt: Bereits überall dort, wo Menschen sich einander achtsam zuwenden, vom Sich-Zulächeln bis zum Nähen von Masken. Zentrale Verkündigung Jesu ist Liebe, die das Wohl des Menschen im Blick hat. Gemeint ist die praktische und konkrete Liebe zu Menschen, die mich gerade brauchen. Liebe ist gelebte Spiritualität. Diese wird schon immer in Einrichtungen der Caritas und Diakonie praktiziert, aber meist als selbstverständlich hingenommen. In dieser Pandemie-Zeit wird deutlich, was wesentlich und was unwesentlich ist. Es zeigt sich, dass „Nächstenliebe“ nicht delegiert werden kann – sie ist eine Aufgabe aller Christinnen und Christen.
Es gab viel Solidarität in den digitalen Netzwerken. In den klassischen Medien Radio und Fernsehen hatten Wissenschaftler und Politiker die Wortgewalt. Welche Rolle hat die Amtskirche gespielt? Wo waren ihre Beiträge und Antworten in Bezug auf Corona?
Die Herausforderung der Amtskirche durch Corona fällt in die Zeit der Glaubwürdigkeitskrise. Dies ist sicherlich ein Grund dafür, dass kirchliche Amtsträger weniger oder gar nicht gefragt sind, wenn es um Fragen des Umgangs in und mit der Corona-Krise geht. Zudem haben sich die Verantwortlichen in unserer Kirche zunächst nahezu ausschließlich der Frage nach Gottesdienstbesuch und Sonntagspflicht zugewandt. Dass die digitale Bereitstellung von Gottesdiensten für den „inner circle“ wichtig ist, steht außer Frage. Aber damit wurde die Frage nach der Relevanz von Kirche und Glaube im Leben der Menschen stark eingegrenzt. Sie muss dringend ausgeweitet werden: Wie schaffen wir – als Kirche – es, das Evangelium so weiterzugeben, dass Menschen daraus Kraft für ihr Leben schöpfen können? Gerade dann, wenn sich das Leben in seiner Bedrohtheit und Verletzlichkeit zeigt?
Die Gotteshäuser öffnen langsam wieder. In Krisenzeiten wächst der Glaube, heißt es doch landläufig immer. Wie bewerten Sie diesen Satz mit Blick auf die Pandemie?
Ich glaube nicht, dass sich dauerhaft „die Kirchen füllen“ werden. Aber was sich gerade deutlich zeigt, ist die Suche nach Sinn, nach Trost und Verbundenheit. Ich mache das etwa daran fest, dass in sozialen Netzen kleine spirituell geprägte Nachrichten ausgetauscht werden: Sinnsprüche, Musikclips, Icons und Symbole von Hoffnung und Verbundenheit. Und das auch in kirchenfernen Kreisen! Dies ist eine große Chance für uns als Kirche – etwa auch für die Art und Weise, wie wir Menschen ansprechen. Sind die (traditionellen) Gebete und Lieder kulturell anschlussfähig? Hier ist Kreativität und Lernfähigkeit angesagt, um Menschen in ihrem Suchen unterstützen zu können.
Die Entscheider (weltweit) waren mal wieder überwiegend Männer. Welche Bedeutung haben und hatten Frauen in der Corona-Krise?
Frauen sind schon immer diejenigen, die eher selbstverständlich das Nächstliegende tun. Sie sind diejenigen, die im Sorge-und Dienstleistungsbereich das Leben „am Laufen halten“. Diese Tatsache – von uns als kfd – schon immer benannt, wird nun so offenkundig, dass sie nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden kann. Auch in den Kirchen sind es die ehrenamtlich tätigen Frauen, die nun mit ihren Möglichkeiten einfach da sind. Da wurden Palmzweige gebunden und (nachdem sie zum Priester gebracht wurden, damit er sie segnet) in der Kirche ausgelegt oder kontaktlos in der Nachbarschaft verteilt. Da wurden und werden gerade von kfd-Frauen Tausende Masken genäht. Da wurde und wird nach Wegen gesucht, das Angebot der Tafeln weiterhin bzw. wieder bereitzustellen. Da verteilten Frauen selbst entwickelte Vorlagen für eine Andacht in der Familie. Und sie tun und taten noch viel mehr, meist unsichtbar ...
Was nehmen Sie aus der Krise heute als Lehre für Ihre weitere Arbeit im Frauenforum des Synodalen Weges mit?
Gerade in dieser Krise stellt sich die Frage nach dem priesterlichen Tun in unserer Kirche. Frauen (und Männer) können Wortgottesfeiern vorstehen, das Evangelium verkünden und auslegen. Sie können Trost zusprechen und segnen. Das ist auch nach geltendem Kirchenrecht möglich. Mit der Anregung, die Hauskirche wieder zu beleben, wird die Frage nach liturgischen Feiern, das gemeinsame Essen eingeschlossen, auf neue Weise bedeutsam. Es muss noch stärker bedacht werden, dass alle Getauften am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi teilhaben. Wie sehen Beteiligungsstrukturen aus, in denen die Charismen aller Gläubigen zum Zuge kommen? Gerade jetzt wird besonders deutlich, dass die Lebendigkeit unserer Kirche nicht (nur) von der Präsenz geweihter Männer abhängt. Es öffnet sich ein Zeitfenster, in dem Dienste und Ämter ganz neu gedacht werden müssen: Eine große Chance für unsere Kirche – wenn sie Mut zum Umdenken hat!
Das Interview wurde für die Juni-Ausgabe 2020 der kfd-Mitgliederzeitschrift „Frau und Mutter“ geführt.
Jutta Laege/ Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands -Bundesverband e.V., Quelle: www.kfd.de In: Pfarrbriefservice.de
Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Jutta Laege/ KFD e.V., Quelle: www.kfd.de In: Pfarrbriefservice.de