„Frieden sei mit Dir!“
Er möge mit Dir beginnen!
In einem alten, indischen Märchen wird von einem Hund berichtet, der eines Tages in ein Zimmer geriet, in dem alle Wände Spiegel waren. Der Hund sah plötzlich viele Hunde um sich herum und wurde wütend, fletschte mit den Zähnen und knurrte. Natürlich wurden auch alle Hunde in den Spiegeln wütend, fletschten mit den Zähnen und knurrten böse. Der arme Hund erschrak so sehr und fing an im Kreis herumzulaufen, immer schneller und schneller, bis er plötzlich vor Erschöpfung zusammenbrach. Am Ende der Geschichte steht der Satz: „Hätte der Hund doch nur ein einziges Mal mit seinem Schwanz gewedelt, alle seine Spiegelbilder hätten ihm ein freundliches Bild zurückgeworfen!“
Wie die eigene Unzufriedenheit Unfrieden schürt
Mag diese kleine Geschichte vielleicht etwas skurril erscheinen, sie transportiert dennoch jene bedenkenswerte Lebenserfahrung, dass viele unserer negativen und un“friedlichen“ Erfahrungen mit uns selber zu tun haben. Das, was wir „Frieden“ und „Unfrieden“ nennen, entsteht meist in uns selbst. Überall dort, wo wir selbst mit uns uneins sind, nicht im Gleichgewicht unserer Möglichkeiten. Wo wir nicht mit uns im „Reinen“ sind, entsteht eine Unzu“frieden“heit, die wir nicht als unser ureigenes Gefühl wahrnehmen, sondern im Spiegelbild unserer Mitmenschen erkennen, sie dort kritisieren und bekämpfen.
Ein Mensch, der zum Beispiel in einer beengten Lebenssituation lebt, eingezwängt von Büro, Verkehrsstau, Ratenzahlung, Stechuhr und Pflichten, der hegt vielleicht sehr oft und sehr intensiv den geheimen Wunsch, alles hinzuwerfen, auszusteigen, auszubrechen in die freie Natur, nur noch zu genießen und zu entspannen. Zusammen mit diesem Wunsch steigt in ihm jedoch die große Angst, er könne damit seine Existenz und das Wohl seiner Familie aufs Spiel setzen. Diese versteckte Spannung, dieser geheime Zwiespalt würde ihn auf Dauer vielleicht innerlich zerreißen.
Genau an diesem Punkt wenden Menschen gerne – wenn auch weitgehend unbewusst einen „Trick“ an. Sie gehen von der Verteidigung sofort in den Angriff über. Sie versuchen gewissermaßen diese innere Spannung von ihrer Seele weg auf andere Menschen zu übertragen, deren „andere“ Lebensweise in ihnen diese Ängste wachrief. Sie benutzen diese „Fremden“ wie einen Blitzableiter, um die eigene Spannung auf jemanden abzuleiten. Nach dem Motto: „Du bist schuld!“.
Depression verwandelt sich in Aggression
In diesem Beispiel schüttet der betroffene Mensch seine ganze Abneigung und Unduldsamkeit auf all die Menschen in seiner Umgebung, die „nur so herum lungern“, auf alle „Penner“, „Spinner“, „Chaoten“, „Drückeberger“. Je intensiver er diese Menschengruppe angreift, (Un-frieden stiftet), desto mehr löst sich sein innerer Konflikt auf, weil er verschoben und umgewandelt wird. Die eigene versteckte Depression wird zur offenen Aggression.
Die Antwort des Christentums
Jesu sagt in diesem Zusammenhang: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“ Oder „Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.“ (Matth 7, 3-5).
Für den Frieden im Einklang mit sich selbst leben lernen
Der mit sich selbst unzu“friedene“ Mensch, der immer nur auf die anderen starrt, um dort den eigentlichen Grund seines selbst verursachten Übels zu erkennen, stets an „der falschen Front“ kämpft, der lädt seinem Körper, seinem Geist und seiner Seele immer stärkeren, unnötigen Ballast auf, der unweigerlich zu einem Infarkt führen muss. Wer sich ernsthaft um seine eigenen Belange kümmert, achtsam, einfühlsam und den eigenen Bedürfnissen gegenüber engagiert bleibt, der wird damit entscheidend für den Frieden unter seinen Mitmenschen beitragen können.
Stanislaus Klemm, Diplompsychologe und –Theologe, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Stanislaus Klemm, Diplompsychologe und –TheologeIn: Pfarrbriefservice.de