Glauben lernen in der Familie (Hintergrundtext - auch zum "Ausschlachten" und "Verwerten"

Hinweis für die Pfarrbriefredaktion:

Dieser Text ist sicher nicht geeignet für einen vollständigen Abdruck im Pfarrbrief. Deswegen hat der Autor ausdrücklich die Genehmigung erteilt, ihn redaktionell zu bearbeiten, zu kürzen, Auszüge wiederzugeben oder ihn schlicht als Anregung für einen eigenen Artikel mit Erfahrungen aus dem persönlichen Umfeld zu nehmen.

Bernhard Riedl

Glauben lernen in der Familie

Wenn etwas ins Gerede kommt, dann zumeist deshalb, weil es frag - würdig geworden ist, weil es seine Selbstverständlichkeit verloren hat. Im Nachdenken und Reden- über wird neue Sicherheit und neue Orientierung gesucht. Dies gilt auch für das Thema "Evangelisation in der Familie" bzw. für die Sache, um die es dabei geht. Aus der Sicht der Familie lässt sich eine subjektive Unsicherheit und eine objektive Verunsicherung konstatieren: Eltern, die christlich leben wollen, machen die Erfahrung, dass ihre Bemühungen an Grenzen stoßen oder sogar zu scheitern scheinen.

Zwei typische Erfahrungen:

Unsere Tochter Rafaela hat (mit 4 Jahren) miterlebt, wie ihre Großtante und kurz darauf ein Onkel gestorben sind. Bei der Beerdigung war sie dabei, und sie wollte natürlich wissen, was denn nun eigentlich mit den beiden ist. Wir haben ihr erzählt - sicher mehr schlecht als recht -, dass ihre Tante und ihr Onkel jetzt ganz nahe bei Gott leben, und dass sie dort froh und glücklich sind. Mit dieser Auskunft war Rafaelas Welt wieder "in Ordnung". Eines Tages aber kommt sie ganz konsterniert nach Hause und erzählt, ihre Freundin Anna habe ihr erklärt, das sei ja alles Quatsch. "Wenn einer stirbt, dann kommt er in die Erde, und dann ist alles zu Ende!?"

Bei solchen Anlässen fragen sich Eltern: Haben wir die Sache eigentlich unseren Kindern richtig erklärt? Haben wir es ihnen so erklärt, dass sie es verstehen konnten? Sie erfahren schmerzlich, dass sie mit ihren Kindern nicht mehr in einem christlichen Milieu leben, sondern sich mehr und mehr auf "unsicherem Terrain" bewegen.

Christliche Eltern von erwachsenen Kindern müssen erleben, wie diese mit ihren Partnern unverheiratet zusammen leben, eine Heirat aufschieben oder gar ablehnen; oder sie müssen erleben, wie ihre Kinder zwar standesamtlich heiraten, aber auf eine kirchliche Trauung verzichten. In die mögliche Traurigkeit über die Entscheidung der Kinder mischt sich die Frage: Haben wir wirklich genug getan, um unsere Kinder zu gottverbundenen Menschen zu erziehen? Haben wir als Eltern unser Christsein zu wenig ansteckend gelebt?

Neben solcher persönlichen Unsicherheit erleben sich Eltern verunsichert durch ein innerkirchliches Wechselbad: Einerseits ist in der Kirche - vor allem seit dem II. Vatikanischen Konzil - noch nie so positiv über die Familie als Ort des Glaubens, als Hauskirche, als eigenständiges Abbild und „originäre Verwirklichung“ von Kirche gesprochen worden wie gerade heute. So heißt es z.B. im Lehrschreiben Evangelii nuntiandi: "Beim Apostolat der Laien muss unbedingt auch das evangelisierende Wirken der Familie genannt werden. Sie hat sich in den verschiedenen Abschnitten der Geschichte den schönen Namen einer "Hauskirche" verdient ... Das bedeutet, in jeder christlichen Familie müssten sich die verschieden Aspekte der Gesamtkirche wiederfinden. Außerdem muss die Familie wie die Kirche ein Raum sein,wo das Evangelium ins Leben übersetzt wird, und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet. Im Schoß einer Familie, die sich dieser Sendung bewusst ist, verkünden alle Familienmitglieder das Evangelium, und es wird ihnen verkündet. Die Eltern vermitteln nicht nur ihren Kindern das Evangelium, sie können dieses gleiche Evangelium auch von ihnen empfangen, und zwar als tief gelebtes Evangelium." (Nr. 71) Dieser innerkirchliche Enthusiasmus wird von vielen Familien allerdings als religiöse Überhöhung der erlebten Wirklichkeit der Familie erlebt, und sie sehen darin eher eine (Über-)Forderung als einen Zuspruch: "Familie, werde, was du bist!" Je höher aber die theologische Deutung greift, um so höher und mehr fühlen sich Familien überfordert, ein solches Ideal zu leben.

Auf der anderen Seite stehen neben diesen grundsätzlich positiven (und ermutigend gemeinten) Aussagen über die Familie skeptische bis klagende Feststellungen des Soziologen, des Bischofs, des Pastoraltheologen, des Pfarrers, dass die Familie heute als "Koalitionspartner" der Kirche weitgehend ausfalle (G. Schmidchen); dass die Familie als Ort der Weitergabe des Glaubens heute weithin ihre Funktion verloren habe (Bischof Homeyer), dass die Familie als Ort der Weitergabe des Glaubens versage. In der Tat wird in den Familien immer weniger gebetet, wird weniger über den Glauben gesprochen, ist die Tradition christlicher Lebenspraxis in der Form christlichen Brauchtums und christlicher Lebenskultur in vielen jungen Familien abgebrochen und muss mühsam neu geknüpft oder durch eine neue Praxis ersetzt werden.

Der Glaube, das Gebet, das Religiöse wird auch innerhalb der Familien immer mehr zur Privatsache. Die Familien hören also innerkirchlich (salopp gesprochen) etwa folgende Botschaft: Prinzipiell sind wir Hauskirche, aber faktisch sind wir Versager. Dieses Versagen wird nicht selten als subjektiv zurechenbare Schuld verstanden oder ausgedrückt: die Menschen sind egoistischer, bequemer, konsumorientierter, ungläubiger als früher, und darum verdunstet der Glaube in den Familien, in der Gesellschaft, ja selbst in den Gemeinden.

Als jemand, der in Familie und unter Familien in der Gemeinde lebt, der persönlich engen Kontakt hat zu nichtgläubigen Familien und der seit fast zehn Jahren mit Familien arbeitet, kann ich nur energisch festhalten: Die Menschen, die Familien sind bestimmt nicht schlechter als früher; ich habe hohe Achtung vor der Liebe, vor der Zuneigung, der Solidarität und Zärtlichkeit, die Ehepartner und Eltern und Kinder füreinander aufbringen. In diesem alltäglichen Bemühen sehe ich schon sehr viel von der Christuswirklichkeit aufstrahlen, auch wenn dort von Christus (noch) nicht ausdrücklich die Rede ist. Zu dieser persönlichen Erfahrung und Überzeugung kommt eine inzwischen gut belegte religionsoziologische Erkenntnis: Die Schwierigkeiten und Probleme, die Familien heute haben, als Christen miteinander zu leben, sind nicht nur persönlicher Natur, sondern wesentlich strukturell, d.h. soziokulturell bedingt. Die traditionelle Gesellschaft war bestimmt von einem Ineinander von Individuum, verwandtschaftlichen Gruppen, Gesellschaft und Religion. Dem einzelnen Menschen war an allen Orten seines Lebens das Christliche irgendwie präsent. ...

Hans Jakob Weinz

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Das Schwerpunktthema für Januar 2007

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Text: Hans-Jakob Weinz
In: Pfarrbriefservice.de