Glaubst du, dass dir vergeben ist?
Es kann schwerfallen, um Entschuldigung zu bitten. Doch ist es kaum weniger anspruchsvoll, Vergebung im Innersten selbst anzunehmen.
Wir stehen am Beginn der Fastenzeit, der österlichen Bußzeit, die in der Tradition von der Besinnung auf unsere Schuld und Werken der Buße und Umkehr geprägt ist. Dabei steht für viele glaubende Menschen die Vergeblichkeit ihres Bemühens um Besserung im Vordergrund, und so verbindet sich diese Zeit mit einem eher bedrückenden Grundgefühl. Spätestens seit der Kritik der Reformatoren wissen wir um die Gefahr dieser Vorstellung, wir könnten mit unserer Besserung die Vergebung erwirken, um dann „verdient" Ostern feiern zu können.
Unbedingte Zusage Gottes
Diese Zeit vor Ostern ist aber im Grunde einerseits viel nüchterner und andererseits viel überraschender. Sie ist nüchtern in der Einschätzung des Menschen und seiner Begrenztheit – das Aschenkreuz, am Beginn auf die Stirn gezeichnet, ist ein aussagekräftiges Zeichen. Sie ist überraschend in der Unbedingtheit der Zusage Gottes, der seine Vergebung schenkt, bevor der Mensch überhaupt konkret in Schuld geraten ist – die Symbole der Taufe, die in der Osternacht anklingt, sprechen da eine beredte Sprache – „Effata-Ritus" (Öffnung der Sinne), das reinigende Wasser, die königliche Salbung und das erhellende Licht der Kerze.
Daran will uns die Fastenzeit erinnern, mahnen, herausfordern mit der Frage: Glaubst Du, dass Dir vergeben ist? Kann es sein, dass die Annahme dieser Vergebung schwerer fällt, als die guten Werke, mit denen wir sie uns zu verdienen meinen? Kann ich akzeptieren, dass mich da einer so nimmt wie ich bin und mir zudem noch seine Vergebung anbietet?
Was ändert sich?
Und wenn ich das Geschenk annehme: Was verändert sich?
Der Evangelist Matthäus entfaltet diesen Gedanken in einem Gleichnis, das immer wieder Empörung in uns wachruft: Einem Mann wird eine unvorstellbare Summe Geldes erlassen, was diesen nicht hindert, seinen Kollegen für eine vergleichsweise geringe Summe in den Schuldturm werfen zu lassen (Matthäus 18,23–35). Hier geht es nicht so sehr um die moralische Empörung über ein solches Verhalten, sondern um die Frage nach der Konsequenz, die ich aus der Erfahrung der Vergebung ziehe.
Wenn ich das Geschenk der Vergebung wirklich annehme, was verändert sich dann für mich – im Blick auf mich selbst, im Blick auf die Menschen, mit denen ich lebe, im Blick auf meine Verantwortung für diese Welt?
Das ist die Freude und die Herausforderung der vorösterlichen Bußzeit: dass ich mir die Vergebung neu zusagen lasse und mein Verhalten an der Vergebung zu orientieren versuche, die Gott mir schenkt – das kann ein barmherzigerer Umgang mit mir selbst und mit anderen sein, ja, da kann auch wirkliche Vergebung unter uns möglich werden. Diese Zeit kann Ermutigung sein, da zu handeln, wo ich schon aufgeben wollte, für möglich zu halten, was ich nicht allein aus mir tun kann. Dann wird die Fastenzeit zu unserer Antwort auf die geradezu flehentliche Bitte, die der Apostel Paulus im Namen Christi an seine Gemeinde in Korinth richtet: „Lasst euch mit Gott versöhnen!" (2 Korinther 5, 20).
Dr. Elisabeth Schieffer, Pastoralreferentin a.D.
Quelle: Konradsblatt 8/2013, www.konradsblatt-online.de. In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Dr. Elisabeth SchiefferIn: Pfarrbriefservice.de