Gott liebt die Fremden

Aus einer Predigt von Karl Kardinal Lehmann

„... Wir werden einzelne Forderungen (nach Teilhabe und Integration; Anm. der Red.) nicht einlösen können, wenn uns nicht eine grundlegende Umkehr im Denken und in unserem Vorverständnis des "Fremden" bestimmt. Dafür gibt es in der Bibel, die wir Christen auch mit den Juden teilen, tief reichende Aufforderungen einer Gesinnungsänderung, die dann auch zu Taten führen muss. Ich möchte am Ende eine solche Äußerung in besonderer Weise hervorheben.

Den Fremden lieben

Es gehört zu den grundlegenden Aussagen der Bibel des Alten und Neuen Testamentes, dass wir den Nächsten lieben. Gewiss war man immer in der Gefahr, den Nächsten mit den uns besonders verbundenen Menschen zu identifizieren. ... Es ist immer wieder erstaunlich, wie in diesem Zusammenhang das Gebot der Nächstenliebe sich nun eben auch auf den "Fremden" richtet: "Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott." (Lev 19,33 f.)

Damit ist eine Bewegung der Liebe zum Nächsten über die bisherigen Lebenskreise hinaus angestoßen und vorangetrieben. Ja, es ist wirklich eine universale Öffnung auf die Menschheit hin. Dies ist ein wichtiges Kennzeichen von Judentum und Christentum zugleich. Ein wichtiges Erbe für den Umgang der Menschen miteinander, Fundament auch für jede Interkulturelle Woche.

Die befreiende Wirkung der Liebe Gottes

Jesus bricht die Grenze im Verständnis des Fremden nochmals auf (vgl. Mt 5,43) und fasst das Gebot der Liebe neu. Er bindet Gottesliebe und Nächstenliebe ganz grundlegend aneinander (vgl. Mk 12,28-31). So wird auch die Güte und Zuwendung Gottes zu allen Menschen zum Vorbild. Exemplarisch heißt es darum: "Denn der Herr, euer Gott, ist der Gott über den Göttern, der Herr über den Herren. Er ist der große Gott, der Held und der Furchterregende. Er lässt kein Ansehen gelten und nimmt keine Bestechung an. Er verschafft Waisen und Witwen ihr Recht. Er liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung - auch ihr sollt die Fremden lieben, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen." (Dt 10,17) Ein Ausleger des Alten Testaments schreibt dazu: "Jeder dieser Sätze ringt mit dem allgegenwärtigen Kain, mit Jakob und mit Esau, mit Joseph und mit seinen Brüdern, mit jedem aufkommenden Hass, mit jedem Bedürfnis zur Anklage, zur Rache oder doch zum Nachtragen. Sie stoßen vor zu dem Gebot der Nächstenliebe, das in der vorliegenden Form in Israels Umwelt noch keine Parallele fand, und das im Neuen Testament zentrale Bedeutung gewinnt." (H. W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, München 1973, 275) Wer sich selbst von Gottes Liebe bestimmt sieht und ihre befreiende Wirkung empfangen hat, kann nicht umhin, sie weiterzugeben.

Zwischen den Kulturen miteinander verbunden

In diesen Sätzen ist die Quelle für die Anerkennung des Anderen und des Fremden, für die Teilgabe und Teilhabe der gemeinsamen Menschenwürde und zugleich für die konkrete Teilnahme an den Gütern dieser Welt. Dies spornt uns immer wieder an und zeigt uns, wie tief wir zwischen den großen Kulturen ("Interkulturell") mit Gott als Vorbild und als orientierende Inspiration mit allen Menschen verbunden sind und immer mehr verbunden sein sollen.“

aus der Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, zur bundesweiten Eröffnung der Interkulturellen Woche / Woche der ausländischen Mitbürger 2007

Quelle: www.interkulturellewoche.de

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,02 MB

Sie dürfen den Text NICHT in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: www.interkulturellewoche.de
In: Pfarrbriefservice.de