Halt in schwierigem Terrain
Hans-Jürgen Müller beschreibt, wie ihn sein Konfirmationsspruch ein Leben lang begleitet hat
„Fürchte dich nicht, glaube nur!“ Markus 5,36
Der Pfarrer muss wohl eine Vorahnung gehabt haben, als er meinen Konfirmationsspruch aussuchte. »Fürchte dich nicht, glaube nur«, so steht es in gebrannten Buchstaben auf einem Holzbrett. Jeder Konfirmand bekam seinen Spruch in dieser Form geschenkt. Eine Gedächtnisstütze in einer Zeit, in der die Machthaber sich anschickten, der Konfirmation den Todesstoß zu versetzen. Unser Jahrgang hatte es immerhin geschafft, noch vollzählig zu dieser kirchlichen Amtshandlung anzutreten. Meine Bemühungen, einige wankelmütige Mitschüler bei der Stange zu halten, führten zur Vorladung bei unserem Direktor, der mir sein Verständnis für meinen Gang zum Altar signalisierte, sich aber jegliche Hetze gegen die Jugendweihe verbat.
Vor den Machthabern gefürchtet
Trotz meines missionarischen Eifers, hatte ich in der Folgezeit mit dem braun umrandeten Holzbrett nichts im Sinn. Es landete auf dem Dachboden. Rückschauend muss ich eingestehen: Ja, ich habe mich gefürchtet vor den Machthabern, bin Kompromisse eingegangen, für die ich mich schäme.
Einmal wenigstens war ich furchtlos, als ich das Kruzifix, das ich aus der Zeit als Chef eines Privatbetriebes in die VEB-Ära hinüber gerettet hatte, entfernen sollte. Als alle Argumentationen meine Meinung nicht ändern konnten, sagte mein Chef, ich dürfte es hängen lassen.
Mit der Furcht wuchs der Glaube
Gefürchtet habe ich mich immer wieder. Eine psychische Erkrankung ließ die Angst oft hochkommen, manchmal sogar bis zur Panik. Gefürchtet habe ich mich auch, als nach der Wende der reprivatisierte Betrieb den Bach runtergehen wollte und es zwei Jahre um das nackte Überleben ging.
Und als vor einigen Jahren die Diagnose des Arztes »Hautkrebs« lautete, wollte sich auch die Furcht breit machen. Aber immer wieder geschah etwas ganz Wunderbares. Mit der Furcht wuchs auch mein Glaube, dass ich bei Gott geborgen bin. Gerade in den Ängsten war ich Gott am nächsten. Dass aus der Furcht Vertrauen erwächst, kann ich nicht selbst bewirken. Ich merke auch: Den festen Glauben gibt es nicht als Vorschuss. Ich darf ihn immer wieder als Geschenk annehmen.
Ich wünsche mir, dass ich mich an meinem Konfirmationsspruch festhalten kann wie an einem Geländer in schwierigem Terrain und dass ich mich über ihn freuen kann wie über eine schöne Blume.
Hans-Jürgen Müller
aus: Uwe von Seltmann (Hg.): Ein Motto fürs Leben. Was mir mein Konfirmationsspruch bedeutet. Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig 2008.
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Dateigröße: 0,02 MB
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Text: Hans-Jürgen MüllerIn: Pfarrbriefservice.de