"Ich bin stolz auf meine Arbeit - und meine Noten!"
Ein Tag im Leben von Dani in Nicaragua
Es dämmert, als Dani das Haus verlässt. Die Luft ist feucht. Noch hängen dichte Nebelschwaden zwischen den Bergen rund um Jinotega. Bald schon werden sie sich auflösen und den Blick freigeben auf die Ziegel- und Wellblechdächer der Stadt mit ihren etwa 53.000 Einwohnern im Norden Nicaraguas, auf ein Schachbrettmuster aus staubigen Straßen, das sich immer weiter in die grünen Berge frisst. Dani fröstelt. Der 13-Jährige nimmt zwei leere Eimer und trägt sie den Weg hinunter zur Wasserstelle.
Dani wartet, bis die Eimer voll sind. In Gedanken geht er seinen Text durch. Heute Nachmittag wird ein Radiojingle aufgenommen. Das Kinderradio vom Club Infantil will darin zum Mitmachen aufrufen. Dani dreht den Wasserhahn zu. Der Rückweg geht steil bergauf. Hier, am äußersten Rand von Jinotega, haben die Menschen ihre Holz- oder Wellblechhütten in den Hang gebaut. Vor ein paar Jahren sorgte die lokale Regierung für Strom. Auch Wasserleitungen soll es eines Tages geben. Doch bis es soweit ist, muss Dani Eimer schleppen, zwischen zwölf und zwanzig Liter Wasser, jeden Tag.
„Se venden Tortillas“: Maisfladen zu verkaufen
Eine Steintreppe führt zu dem kleinen grünen Holzhaus, in dem Dani mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und seiner kleinen Halbschwester wohnt. Davor wächst ein Orangenbaum. An den Stamm ist ein Stück Holz genagelt. „Se venden Tortillas“, „Maisfladen zu verkaufen“, steht darauf. Schon von draußen hört Dani das vertraute Klopfen, das erst am Nachmittag verstummen wird. Es ist der gleichmäßige, routinierte Rhythmus, mit dem seine Mutter die Tortillas in Form schlägt. Mehrere hundert backt sie jeden Tag.
In der Küche ist es angenehm warm. Über dem Feuer backen zwei Tortillas auf einem Blech. Dani nimmt sich kurz Zeit zum Verschnaufen. Dann schnappt er sich eine Schüssel mit eingeweichten Maiskörnern und macht sich wieder auf den Weg. Diesmal in die andere Richtung, zum Haus einer Nachbarin, die eine elektrische Mühle hat. Mit dem gemahlenen Mais kommt er eine halbe Stunde später zurück und tauscht ihn bei seiner Mutter gegen einen Eimer voll fertiger Tortillas. Sofort geht es weiter, diesmal mit dem Fahrrad. Dani tritt in die Pedale. Er muss sich beeilen, die Händler in der Stadt warten schon auf die Tortillas. 100 Córdoba, umgerechnet etwas über drei Euro, bekommt er für einen Eimer voll. Zwei bis drei Eimer verkauft er jeden Tag an Restaurants und Geschäfte.
Schule geht vor
„Ich habe nichts dagegen, dass Kinder arbeiten gehen“, sagt Dani. „Ich arbeite ja auch, und mir geht es gut. Aber Kinder dürfen nicht ausgebeutet werden. Wenn Kinder nicht zur Schule gehen dürfen oder nur ganz wenig Geld für ihre Arbeit bekommen, da bin ich dagegen!“ Zur Schule geht Dani immer nachmittags, in die erste Klasse der Sekundarstufe. Seine Noten sind so gut, dass er demnächst sogar ein Stipendium erhalten wird. „Kinder müssen lernen und arbeiten gehen dürfen“, meint Dani. Doch er weiß, dass die Realität oft anders ist. „Hier in Nicaragua gehen nur 39 Prozent der Kinder in die Schule“, sagt er. „Die anderen sind auf der Straße oder müssen arbeiten.“
Nach dem Unterricht nimmt Dani sein Fahrrad und fährt in die Stadt. Vor einem hellgelben Haus hält er an. Auf dem Dach ragt ein Sendemast in die Höhe. Von hier sendet das lokale Radio „Estereo Libre“ auf 95.3 FM. Und hier ist auch das Hauptquartier des Club Infantil, der von den Sternsingern aus Deutschland gefördert wird. Der Club unterstützt Kinder dabei, sich für ihre Rechte einzusetzen. Jeden Sonntag gehen Kinder mit einem eigenen Radioprogramm auf Sendung, übernehmen selbst Technik und Regie, klären über Kinderrechte auf und sagen, was sich ändern muss. Heute wird ein Jingle für die Sendung aufgenommen. „Kinder und Jugendliche von Jinotega“, sagt Dani ins Mikrofon. „Wollt ihr euch auch für Kinderrechte einsetzen? Dann macht bei unserer Radiosendung mit!“ Dani hofft, dass viele dem Aufruf folgen werden. „Warum dürfen nur die Erwachsenen sagen, was in unserem Land passiert?“, fragt er. „Ich will auch mitbestimmen. Auch wenn die Großen das oft nicht wahrhaben wollen, man kann etwas ändern!“
Stefanie Wilhelm/Kindermissionswerk, www.sternsinger.org
Bilder zum Text: Dani hilft beim Tortilla-Backen und Dani fährt die Tortillas zum Markt
mehr Bilder: http://www.sternsinger.org/nc/home/presse/pressedownload.html?do=detail&cid=82
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Text: Stefanie Wilhelm/KindermissionswerkIn: Pfarrbriefservice.de