"Ihr dürft ruhig streiten"
Interview mit Ute Eberl über ihre Eindrücke von der Familiensynode im Oktober 2014
Zwei Wochen lang wurde im Oktober 2014 im Vatikan über das Thema Ehe und Familie diskutiert. Die Deutsche Ute Eberl war eine der wenigen Frauen bei der Bischofssynode. Was die Familienseelsorgerin aus dem Erzbistum Berlin dort erlebt hat und welche Schlüsse sie daraus für ihre Arbeit und die Zukunft der Kirche zieht, erzählt sie im Interview mit katholisch.de.
Frau Eberl, im Vergleich zum Zwischenbericht sind die Aussagen zu wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen im Abschlussbericht zurückhaltender. Enttäuscht Sie das?
Eberl: Ich war schon überrascht, dass der Zwischenbericht sich durch sehr viele Interventionen doch noch so verändert hat. In der ersten Woche haben Bischöfe aus aller Welt die Lebenswirklichkeit von Familien sehr plastisch dargestellt. Dagegen hatte ich in der zweiten Woche den Eindruck, dass die Lebenswirklichkeit von Familien in den Hintergrund getreten ist zugunsten der Frage: Was sagt eigentlich die Lehre, wie sieht es richtig aus? Insofern bin ich etwas enttäuscht, ja. Aber nach der Synode ist vor der nächsten Synode. Wir machen weiter.
Spielen Themen wie wiederverheiratete Geschiedene in der Weltkirche denn keine so große Rolle wie in Deutschland?
Eberl: Doch, dieses Thema ist überall auf der Welt relevant. Bischöfe aus Südamerika haben etwa auch von dieser Frage berichtet, allerdings mit einem anderen Akzent. Da ging es eher um eine Vereinfachung der Ehe-Annullierungsverfahren, um dann frei zu sein für eine neue Verbindung – um die "Scheidung auf katholisch" sozusagen. Von der Fragebogenaktion in Deutschland weiß ich, dass viele Menschen diese Möglichkeit eher als Mogelpackung empfinden.
Was ist für Sie das wichtigste Ergebnis der Synode?
Eberl: Ich bin noch sehr beeindruckt von dem Schlusswort des Papstes. Er hat ja geradezu dazu ermutigt, kontrovers zu diskutieren. Verkürzt lautete seine Botschaft: Ihr dürft ruhig streiten, dadurch fällt die Kirche nicht gleich auseinander, da passe ich schon auf. Ich finde das sehr ermutigend für das kommende Jahr, in dem die Bischofskonferenzen und Diözesen ja auf Grundlage der Ergebnisse dieser Synode weiter arbeiten sollen. Der Papst hat ihnen mit auf den Weg gegeben, dass sie keine Angst vor Auseinandersetzungen haben müssen. Ich bin gespannt, was da in den Diözesen möglich ist. Was wäre, wenn ein Bischof die Frage stellt: "Wer von meinen Diakonen hat Erfahrung mit der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren?" Diese Frage darf ja eigentlich gar nicht gestellt werden, da es das offiziell nicht gibt. Aber es könnte trotzdem lohnend sein.
Welche Impulse nehmen Sie aus der Synode für Ihre Arbeit als Familienreferentin im Erzbistum Berlin mit?
Eberl: Ich nehme die starke Erfahrung der Weltkirche mit. Wir sind in Deutschland nicht der Nabel der Welt. Jeder fünfte Katholik im Erzbistum hat einen Migrationshintergrund, und das gilt es, bewusster wahrzunehmen. Das Evangelium wird nicht in einem luftleeren, keimfreien philosophischen Raum verkündet, sondern immer in eine Kultur hinein. Und wenn Menschen aus anderen Kulturen zu uns kommen, dann bringen sie etwas anderes mit, das aber auch bereichernd sein kann.
Außerdem nehme ich die Ermutigung mit, dass es die Aufgabe der Kirche ist, den Menschen zu dienen. Das ist der Auftrag, den Jesus uns gegeben hat. Ich nehme die Ermutigung mit, dass wir nicht zurückschrecken müssen vor irgendeiner Art von Lebenswirklichkeit. Es geht nicht darum, nur in den Augen des Kirchenrechts zu gucken, sondern erstmal zu schauen, was die Menschen zu sagen haben.
Nach außen entstand der Eindruck, dass bei der Synode gerungen, ja gestritten wurde. Wie haben Sie die Diskussionen und die Atmosphäre, in der sie stattfanden, wahrgenommen?
Eberl: Die erste Woche mit den Statements der Synodenväter war lebendig, frisch und geprägt von Herzblut. Da war es zum Greifen, dass es wirklich allen um etwas geht. In der zweiten Woche habe ich die Atmosphäre zurückhaltender erlebt, eher von einer Sorge getragen. Was passiert denn hier gerade, gerät uns etwas außer Kontrolle, kratzen wir jetzt das Fundament an? Als das Zwischendokument vorgestellt wurde, das war für mich in Anführungsstrichen die "Prosecco-Zeit". Vielleicht hab ich da übersehen, wer gerade ganz entrüstet schaut. Ich dachte: "Wow, das ist meine Kirche."
Wie konnten Sie sich als weibliche Gasthörerin mit Laienstatus in der Synode einbringen?
Eberl: Ich habe mir vorher meine Rolle schon sehr klar gemacht; dass ich eben als Gasthörerin und nicht als vollwertige Synodale oder Sprecherin der Laienbewegung nach Rom fahre. Das war gut, um dann nicht enttäuscht zu sein. Unsere Kirche ist derzeit eben so verfasst, dass die Synode aus Bischöfen besteht. Aber es war in den Kleingruppen dann schon möglich, einen Teil beizutragen. Am Freitag der ersten Woche habe ich sogar vor dem Plenum einen kurzen Impuls gegeben. Es war eine schöne Erfahrung, dass Bischöfe anschließend auf mich zukamen, um mit mir darüber zu sprechen.
Was wünschen Sie sich für die nächste Synode?
Eberl: Ich wünsche mir, dass bei den Vorbereitungen der Synode 2015 in den Diözesen nicht ausschließlich Bischöfe und Klerus miteinander sprechen, sondern dass auch die Menschen mit einbezogen sind. Ich wünsche mir, dass deren Lebenswirklichkeit weiter wahrgenommen wird und dass der Mut da ist, die Türen weit, weit aufzumachen. Es geht darum, hinzuschauen, was die Menschen umtreibt, welche Sorgen sie haben und vor welchen Herausforderungen sie stehen und sich dann zu fragen: "Was kann der Job der Kirche dabei sein?"
Ute Eberl ist Leiterin der Ehe- und Familienseelsorge im Erzbistum Berlin und war neben Kardinal Reinhard Marx die einzige deutsche Teilnehmerin bei der Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie im Vatikan.
Interview: Gabriele Höfling, www.katholisch.de. In: Pfarrbriefservice.de
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Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Gabriele Höfling, www.katholisch.deIn: Pfarrbriefservice.de