Internet-Demokratie Pro und Contra
Oder wie man im Social-Media-Zeitalter noch Meinungsbildung und Wahlfreiheit retten kann
Die neue Qualität von Fake News
Falschnachrichten sind so alt wie das Nachrichtenwesen. Nur bekommen sie im Netz eine neue Qualität. Dort kann jede und jeder Nachrichten erzeugen und ohne Filter, sofort, unbegrenzt, kostenlos veröffentlichen. Eine riesige Informationsflut entsteht, die nicht mehr zu überblicken ist. Ein Beispiel: Während des Amoklaufes in einem Einkaufszentrum in München im Juni 2016 vermelden Bürger auf sozialen Netzwerken 71 weitere Phantomtatorte und beschäftigen die Polizei. So genannte Fake News können in verschiedenen Formen auftauchen: von Satire und Parodien über Falschmeldungen („Hoax“), falsch verknüpfte oder irreführend in einen anderen Zusammenhang gestellte Inhalte bis hin zu bewusst verfälschten Tatsachen. Der Begriff Fake News unterstellt etwas naiv, Nachrichten könnten nur komplett falsch oder komplett wahr sein. Dabei enthalten Fake News meist einen wahren Kern, der mit falschen Fakten verknüpft oder extrem überinterpretiert wird.
Die Motive hinter Fake News
Warum werden Fake News bewusst gestreut? In den meisten Fällen sind sie schlicht Lockmittel für Werbeanzeigen, um damit Geld zu verdienen (sogenanntes Clickbaiting) – 20 Cent pro Klick beim Werbeanbieter AdSense beispielsweise. Spektakuläre, empörende „wow“-Geschichten mit „catchy headlines“ bringen Klicks und damit Kohle. Emotionale Inhalte verbreiten sich in den sozialen Medien am besten, vor allem, wenn sie Wut auslösen. Wirkungsvolle Fake News übertönen normale Nachrichtenmeldungen, weil sie dramatischer gestaltet sind, sich interessanter lesen und damit stärker wirken. Fake News können daher leicht zur Stimmungsmache dienen. Sieht man sich die einschlägigen Seiten wie Anonymous-news.ru, Netzfrauen, Compact Magazin, RT Deutsch, Sputnik, Epoch Times, Jouwatch, KenFM, Politically Incorrect, Unzensuriert.at, erkennt man schnell die Top 3 der beliebtesten Gegner: Politiker, Medien, Flüchtlinge.
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, sagt der Volksmund. Hier lautet die Logik: Was gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden. Irgendetwas bleibt hängen. Hinzu kommt, dass ich rein menschlich Nachrichten so interpretiere, dass sie meine Erwartungen erfüllen. Bestätigt eine Lüge meine Weltanschauung, bin ich für diese vermeintlichen Fakten empfänglich. Ich blende Informationen aus, die meiner Meinung widersprechen. Psychologen nennen dies „Confirmation Bias“. Gegenargumente vergisst man schneller – vor allem wenn man sich bedroht fühlt. Ein natürlicher Reflex: Nehme ich bei anderen Angst wahr, frage ich mich, ob es nicht in meiner Umgebung auch diese Gefahr geben könnte, vor der ich Angst haben sollte. Gerade in sozialen Medien zählen Geschichten mit Emotionen mehr als Argumente. Gefühlt ist vieles anders als real.
Echoeffekte als Verstärker
Zu diesen psychologischen Faktoren kommen technische: Der Algorithmus hinter dem Newsfeed sozialer Netzwerke bevorzugt das, was gelikt, kommentiert und geteilt wurde. Kann jeder ausprobieren: Klickt man in Facebook häufig bei Katzenvideos auf „gefällt mir“, ist die Timeline bald voller Katzen. Ich kann Facebook auf mich zuschneiden, im Positiven wie im Negativen. Ich sehe eher die politischen Äußerungen meines virtuellen Freundeskreises, wo ich vorher bereits auf Statements mit Like oder Kommentar reagiert habe. Informationen von Personen, zu denen man einen Bezug hat, werden zudem als glaubwürdiger eingestuft und man beschäftigt sich länger mit ihnen. Ich lande tendenziell in einer Kommunikation mit ausgewählten Freundinnen und Freunden (egal, ob ich diese offline kenne oder nur virtuell Kontakt besteht), wo wir uns gegenseitig Zustimmung versichern. Dieser Effekt kann das Gefühl verleihen: „Ich bin nicht allein! Alle meine Freundinnen und Freunde denken so! Wir vertreten die schweigende Mehrheit! Wir sind mächtig.“
Die Pegida-Bewegung in Dresden wäre ohne soziale Medien und diese Effekte nicht denkbar gewesen. Man nennt dies „Echokammern“, in denen politische Botschaften eines bestimmten Milieus widerhallen und verstärkt werden. Ich bin nicht mehr gezwungen, mich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen. Ich bekomme in meinem Weltbild einen anderen Wirklichkeitsbezug bis ich am Ende beispielsweise denke, dass Medien lügen. Diese Effekte lassen sich schön am Fall des 13-jährigen russischstämmigen Mädchens Lisa ablesen, von dem im Januar 2016 in den sozialen Medien die Geschichte umging, sie sei von Flüchtlingen in Berlin entführt und vergewaltigt worden. 12.000 Menschen gingen in Deutschland auf die Straße, um zu protestieren, weil sie eine Vertuschung der Tat durch deutsche Behörden und Medien vermuteten. Am Ende stellte sich heraus: Die Geschichte war frei erfunden.
KLJB, Werkbrief für die Landjugend, Demokratie und Jugendbeteiligung, Was wir zu sagen haben, S. 37-39, In: Pfarrbriefservice.de
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