Jeder 113. Mensch ist weltweit auf der Flucht

2015 wurde erstmals die 60-Millionen-Marke überschritten

Durch Konflikte und Verfolgung erreicht die Zahl der von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen ein trauriges Rekordniveau. Ein drastischer Anstieg im Jahr 2015 bringt die Gesamtzahl der Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und Asylsuchenden weltweit auf rund 65 Millionen, wie der am 20. Juni 2016 veröffentlichte statistische UNHCR-Jahresbericht belegt. UNHCR ist das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen.
 
Basierend auf Daten von Regierungen, Partnerorganisationen wie dem International Displacement Monitoring Centre und eigenen Erhebungen zeichnet UNHCRs jährlicher Statistikbericht „Global Trends“ ein umfassendes Bild von Fluchtbewegungen. Demnach mussten bis Ende 2015 65,3 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Zwölf Monate zuvor waren es noch 59,5 Millionen Menschen. Damit wurde erstmals die 60-Millionen-Marke überschritten.

Mehr Binnenflüchtlinge

Unter den insgesamt 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht sind 3,2 Millionen, die Ende 2015 auf die Entscheidung ihres Asylantrages warteten (die höchste bisher von UNHCR verzeichnete Zahl), 21,3 Millionen Flüchtlinge (1,8 Millionen mehr als im Jahr 2014 und die höchste Zahl seit den frühen 1990er Jahren) sowie 40,8 Millionen Menschen, die gezwungen waren, ihr Zuhause zu verlassen und innerhalb ihres Heimatlands auf der Flucht sind. Das bedeutet einen Anstieg von 2,6 Millionen Menschen im Vergleich zu 2014 und ist ebenfalls die höchste Zahl seit Beginn der Erhebungen.
 
Gemessen an einer Weltbevölkerung von 7,349 Milliarden Menschen ist damit statistisch jeder 113. Mensch entweder asylsuchend, binnenvertrieben oder Flüchtling – ein noch nie dagewesener Höchststand. Insgesamt ist die globale Zahl der Menschen auf der Flucht damit in etwa so groß wie die Einwohnerzahl von Großbritannien, Frankreich oder Italien.

Weltweite Konfliktherde

Seit Mitte der 1990er Jahre haben Flucht und Vertreibung in den meisten Regionen weltweit stetig zugenommen. In den vergangenen fünf Jahren jedoch schnellten die Zahlen rasant nach oben. Dafür gibt es drei Gründe: Flüchtlingssituationen dauern länger an. So gibt es Konflikte in Somalia oder Afghanistan bereits seit jeweils drei beziehungsweise vier Jahrzehnten. Zudem nehmen neue oder wieder aufflammende Konflikte zu, der größte davon ist der Syrien-Konflikt. Allein in den letzten fünf Jahren gab es eine Vielzahl weiterer Konfliktsituationen, unter anderem im Südsudan, Jemen, Burundi, der Ukraine und der Zentralafrikanischen Republik. Zudem lassen seit Ende des Kalten Krieges effektive und dauerhafte Lösungen immer länger auf sich warten. Während im Jahr 2005 durchschnittlich sechs Menschen pro Minute entwurzelt wurden, sind es heute 24 Menschen pro Minute – das sind statistisch zwei Menschen pro Atemzug. 

„Einender Geist“ fehlt

„Immer mehr Menschen müssen aufgrund von Krieg und Verfolgung ihre Heimat verlassen und das allein ist höchst beunruhigend. Doch auch die Faktoren, die Flüchtlinge in Gefahr bringen, steigen um ein Vielfaches”, so UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. „Auf dem Meer verlieren erschreckend viele Menschen ihr Leben, der Landweg ist durch geschlossene Grenzen zunehmend blockiert und in manchen Ländern wird gegen Asyl politisch Stimmung gemacht. Die Bereitschaft von Staaten, nicht nur für Flüchtlinge, sondern im gemeinsamen Interesse der Menschlichkeit zusammenzuarbeiten, wird momentan herausgefordert. Dabei ist es genau dieser einende Geist, der so dringend gebraucht wird.“

Hälfte der Flüchtlinge aus nur drei Ländern

Unter den Ländern, die im Global Trends Bericht erfasst werden, stechen einige hervor: Mit 4,9 Millionen Flüchtlingen aus Syrien, 2,7 Millionen aus Afghanistan sowie 1,1 Millionen aus Somalia kommen die Hälfte aller Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat aus nur drei Ländern. Kolumbien hat mit 6,9 Millionen die höchste Zahl von Binnenvertriebenen; Syrien folgt mit 6,6 Millionen, Irak mit 4,4 Millionen Binnenvertriebenen. Die meisten neuen Fluchtbewegungen innerhalb eines Landes gab es 2015 im Jemen – 2,5 Millionen Menschen sind dort Binnenvertriebene, das entspricht neun Prozent der Bevölkerung. 

Die meisten Flüchtlinge im Globalen Süden

Die Bemühungen Europas bei der Aufnahme von rund einer Million Flüchtlinge und Migranten standen 2015 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Bericht zeigt jedoch, dass sich die große Mehrheit der Flüchtlinge außerhalb Europas aufhält. Insgesamt haben 86 Prozent der Flüchtlinge, die 2015 unter dem Mandat von UNHCR standen, in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen Schutz gesucht. Viele dieser Staaten grenzen an Konfliktgebiete. Es sind sogar über 90 Prozent, wenn auch die palästinensischen Flüchtlinge miteinbezogen werden, die unter dem Mandat der Schwesterorganisation UNRWA stehen. Weltweit ist die Türkei mit 2,5 Millionen Flüchtlingen das größte Aufnahmeland. Mit 183 Flüchtlingen auf 1.000 Einwohner hat der Libanon im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere Land. In Relation zu seiner Wirtschaftskraft war dagegen die Demokratische Republik Kongo das Land mit den meisten aufgenommenen Flüchtlingen (471 Flüchtlinge pro Dollar des BIP).

Asylantragszahlen steigen

2015 war auch ein Rekordjahr, was die Zahl der gestellten Asylanträge in den Industriestaaten betrifft: Insgesamt wurden zwei Millionen Anträge registriert. Hinzu kommen 3,2 Millionen anhängige Verfahren bis Ende des Jahres 2015. Dabei wurden in Deutschland mit 441.900 Anträgen mehr Asylanträge gestellt als in jedem anderen Land. Das ist vor allem auf die Bereitschaft Deutschlands zurückzuführen, Flüchtlinge aufzunehmen, die 2015 über das Mittelmeer nach Europa kamen. Die Vereinigten Staaten verzeichneten die zweithöchste Zahl von Asylanträgen (172.700); viele der Menschen, die dort Asyl beantragten, flohen vor Bandenkriminalität in Zentralamerika. Auch in Schweden (156.000) und Russland (152.500) wurde 2015 eine signifikante Zahl von Asylanträgen registriert.

Rund die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder

Laut UNHCR zugänglichen Daten waren 51 Prozent der Flüchtlinge weltweit jünger als 18 Jahre. Besonders beunruhigend ist die hohe Zahl an Kindern, die allein reisten oder von ihren Eltern getrennt waren. Insgesamt wurden weltweit 98.400 Asylanträge von unbegleiteten oder von ihren Eltern getrennten Kindern registriert – ebenfalls der höchste Wert seit UNHCR Aufzeichnungen führt und ein Beleg dafür, dass besonders Kinder von Flucht und Vertreibung betroffen sind.

Quelle: www.unhcr.de (Pressemitteilung vom 20. Juni 2016), In: Pfarrbriefservice.de

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Das Schwerpunktthema für September 2015

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Text: UNHCR
In: Pfarrbriefservice.de