Kampf um die Meinungshoheit
Neben Echoeffekten können im Netz Social Bots problematisch werden. Bot ist die Abkürzung von Robot und bezeichnet Programme, die im Netz bestimmte Aufgaben automatisieren, zum Beispiel Suchmaschinen betreiben, Daten für Werbung sammeln, Spam verbreiten. Nach einem Bericht der Sicherheitsfirma Trend Micro kann man sich für 90 Cent 100 Abonnenten für einen YouTube-Kanal kaufen. Für 2397 Euro kann man 25.000 Unterschriften bei einer Petition auf der Seite change.org erwerben. Für 7136 Euro kann man bei russischen Anbietern durch massenhafte Klicks zwanzig Videos zwei Minuten auf der Startseite von YouTube nach oben spielen. Bots können sich als Nutzern in sozialen Netzwerken ausgeben, Botschaften verbreiten und sogar Chats simulieren – vor allem im Kurznachrichtendienst Twitter. Bekannt wurde sie im amerikanischen Wahlkampf 2016, wo rund ein Viertel aller Tweets von Bots abgesetzt wurde. Sie können Meinungen manipulieren, wenn sie durch massenhafte automatisierte Interaktion ein falsches Bild der vermeintlichen Mehrheitsmeinung erzeugen. Und sie können ein Diskussionsklima aufheizen, wenn sich gemäßigte Personen resigniert zurückziehen und nur Menschen mit radikal konträren Positionen übrigbleiben.
Verrohung der Sprache
Ähnlich wirken Trolle. Dies sind echte Personen, die durch Provokation, Störung, Beleidigung und Häufigkeit der Kommunikation auffallen. Sie agieren unter ihrem echten Namen, im Namen anderer, unter Pseudonym oder anonym. Sie posten Kommentare wie das Pseudonym „Christian Normann Wagner“ auf Facebook unter einen Bericht über eine Straftat eines Ausländers: „Tja, diese Einzelfälle in Schnellficker-Hosen. So hart es ist: Man kann nur hoffen, dass es endlich einen von denen trifft, die diese ganzen Zustände heruntergespielt haben, die Gutmenschen und ihre Lückenpresse.“ Wie die Stuttgarter Zeitung recherchierte, steckt dahinter Normann H., 46-jähriger Familienvater aus dem Kreis Ludwigsburg, Jurist bei einer Versicherung, der abends auf Facebook in derben Worten Stimmung gegen Flüchtlinge macht. Wenn auf Facebook Lügen verbreitet werden oder gefordert wird, Flüchtlinge „ins Gas“ zu schicken, stecken dahinter mitunter Menschen, die unsere Nachbarn sein könnten, die wir im Alltag ganz anders erleben.
Man nennt dies „Enthemmungseffekte“. Die abstraktere Kommunikation erleichtert es, Dinge zu schreiben, die man niemandem ins Gesicht sagen würde. Fühlen sie sich zusätzlich von anderen hierzu bestätigt, ergibt sich schnell ein Aufschaukeln bis hin zum Shitstorm. Gern werden solche Äußerungen populistisch genannt. Man sollte sie als das bezeichnen, was sie sind: rassistisch, menschenverachtend, verlogen oder falsch. Je öfter Menschen eine Veränderung der sozialen Ordnungsregeln, wie man miteinander spricht, erleben, umso mehr empfinden sie diese Abweichung als Normalität. Rote Linien verschieben sich. Zuerst verändern sich die Sprache, dann das Handeln.
Dagegenhalten oder ignorieren?
Jede Nutzerin und jeder Nutzer sozialer Netzwerke kennt die beschriebenen Äußerungen. Sie begegnen einem ständig und trotzdem ist man oft überfordert, überrascht. Trifft man auf Fake News, sollte man ihnen soweit möglich mit Fakten entgegentreten (ohne den Original-Post weiterzuverbreiten). Ist man sich unsicher, ob Aussagen stimmen können, sollte man zuerst nach der Quelle forschen. Fällt bei einem Profil auf, dass es relativ neu ist, ohne Bilder, ohne Freunde/Follower etc.? Fehlt bei Seiten ein Impressum mit Adressangabe? Die Echtheit oder die ursprüngliche Quelle von Bildern lässt sich mit der Rückwärts-Suche von Google überprüfen. Seriöse Medien sind verpflichtet, Falschmeldungen zu korrigieren – Privatpersonen nicht (pauschal). Bei Facebook sollte man einen Verstoß gegen die „Gemeinschaftsstandards“ melden. Facebook verspricht, Hassbotschaften zu löschen. Bei zu viel nackter Haut regiert das Unternehmen schnell, in diesem Bereich leider zu häufig unzureichend. Man kann sich auch an das Recherche-Büro Correctiv wenden (www.correctiv.org). Die angesprochenen Parolen verkünden einfache Antworten, wo man komplex antworten müsste, beanspruchen eine absolute Wahrheit, die keinen Widerspruch zulässt. Wer aber nicht darauf eingeht, kapituliert. Jede und jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, nicht das Recht auf eigene Fakten. Man muss dennoch Grenzen ziehen: Relativiert beispielsweise jemand den Nationalsozialismus, sollte man nicht den Eindruck erwecken, solche Meinungen seien diskussionswürdig.
KLJB, Werkbrief für die Landjugend, Demokratie und Jugendbeteiligung, Was wir zu sagen haben, S. 39-41, In: Pfarrbriefservice.de
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