„Lass den Mut nicht sinken!“

Was in einer belastenden Situation helfen kann, weiter zu machen

Die Situation kennt jeder, der in einer belastenden Situation die Kraft verliert. Du willst oder du kannst dann keinen Widerstand mehr leisten, ermüdest, verlierst die Lust und die Hoffnung auf Erfolg. Mitten in diese Situation hinein gesprochen hörst du dann manchmal sehr tröstliche Worte, wie „Lass den Mut nicht sinken!“. Selbst eine satirisch gemeinte Variante kann die Wahrheit dieser Worte nur unterstützen, wenn es nämlich heißt: „Wenn dir das Wasser bis zum Halse steht, darfst du den Kopf nicht hängen lassen!“. Dahinter steht eigentlich eine ernste und zutiefst menschliche Erfahrung, die uns immer dann widerfährt, wenn unsere Kräfte zu versiegen drohen, Ausdauer, Mut und Hoffnung verblassen. Was aber kann uns in solch einer Situation helfen, trotzdem weiter zu machen, zu kämpfen, weiter zu glauben, zu hoffen und zu lieben?

Eine alte biblische Geschichte (Ex 17,8-16) könnte uns hier eine Weisung sein. Auf ihrer Flucht aus Ägypten und der Neuansiedlung wurden die Israeliten in einen ersten Kampf mit den Amalekitern verwickelt, einem räuberischen Nomadenvolk im Süden Palästinas. In diesem Kampf passierte etwas ganz Sonderbares, aber Entscheidendes. Der Führer Moses, der die Schlacht von einem Berg aus beobachtete, hielt dabei stets seine Arme hoch zu Gott emporgestreckt und betete für sein Volk. Immer wenn seine Arme oben waren, gewannen die Israeliten den Kampf, wenn aber seine Arme vor Müdigkeit zu sinken drohten, hatten die Feinde wieder die Oberhand. Aber seine Freunde halfen Moses in diesem bedrohlichen Zustand, indem sie ihn gemeinsam so stützten, dass er wieder seine Arme zu Gott erheben konnte. So ging Israel als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervor.

Für die Bibel ist diese Begebenheit natürlich keine strategische „Blaupause“ dafür, wie man am besten kämpfen soll, schon gar nicht ein kluger Ratschlag, in einer schwierigen Krise besser „keine Hand zu rühren“. Hier geht es um die grundlegende Botschaft, in jedem Lebenskampf auf Gott zu vertrauen: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten …“ (Ps 50,15), oder wie es im Neuen Testament heißt: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan.“ (Matth 7,7). Aber auch eine zweite zentrale Botschaft hören wir dort: Wenn jemand seinen Glauben, seine Hoffnung und seine Zuversicht zu verlieren droht, dann müsst ihr alle eine feste und zuverlässliche Stütze für ihn sein. Für den Menschen neben uns, der keine Kraft mehr hat zu glauben und zu hoffen, der zweifelt und oft zu verzweifeln droht, für den müssen wir da sein, dürfen und müssen wir alle Mitmenschen sein, die mit ihm glauben, mit ihm hoffen und zusammen mit ihm gehen. Wir müssen bei ihm sein, wenn sein Mut zu sinken beginnt und müssen ihn ein Stück weit halten, stützen und ermutigen.

Auch die Natur kann uns in der Frage „Durchhalten“ oder „Aufgeben“ einen überzeugenden Hinweis bieten. In dem Naturschauspiel einer Tropfsteinhöhle erfahren wir zwei Wahrheiten. Die erste drückt sich in dem Sprichwort aus: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Wir können uns kaum vorstellen, mit welcher Ausdauer Tropfen für Tropfen eine Höhle im Berg leer und ausgewaschen werden kann. Aber auch eine zweite Wahrheit könnte man in einem Sprichwort ausdrücken: „Steter Tropfen wölbt den Stein.“ Auch hier ist es kaum vorstellbar, mit welcher Geduld in dieser Höhle ebenfalls von oben herab Tropfen für Tropfen ein neues Steingebilde wie das einer „Tropfsteinhöhle“ entstehen kann – eine gigantische, kreative Steinlandschaft. Es gilt, den Mut nicht sinken zu lassen und Atemzug für Atemzug die Hoffnung immer weiter zu geben, die nach den Worten von J. Moltmann „das Verliebtsein ins Gelingen ist“. Und „Liebe ist immer stärker als der Tod.“ (1 Kor 13).

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Stanislaus Klemm, Diplompsychologe und Theologe

Stanislaus Klemm, Jahrgang 1943, ist Diplompsychologe und Theologe. Er arbeitete in der Suchttherapie, in der ökumenischen Telefonseelsorge Saar sowie in der Lebensberatung des Bistums Trier in Neunkirchen. Er ist Autor verschiedener Bücher. 

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de