Madonna der Eingeschlossenen

Sie zogen aus, Russland zu erobern, doch dann wurden sie selbst eingeschlossen: Im Kessel von Stalingrad erlebten deutsche Soldaten eine der schrecklichsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges mit ungeheuren Verlusten auf beiden Seiten. Zu Heiligabend 1942 zeichnete der Truppenarzt und Theologe Dr. Kurt Reuber mit Kohle auf der Rückseite einer russischen Landkarte eine zärtlich ihr Kind umhüllende Mutter. Als seine von Kälte, Gefangenschaft und Tod bedrohten Kameraden die Madonna bei ihrer kleinen Weihnachtsfeier im Bunker entdeckten, standen sie »wie gebannt, andächtig und ergriffen schweigend vor dem Bild an der Lehmwand, unter dem auf einem Holzscheit ein Licht brannte. Das ganze Fest stand unter der Wirkung des Bildes, und gedankenvoll lasen sie die Worte: Licht, Leben, Liebe« (aus einem Brief Reubers an seine Frau).

Die Zeichnung wurde von seinem verwundeten Kommandeur mit einem der letzten Flugzeuge aus Stalingrad ausgeflogen, während Reuber selbst in russische Gefangenschaft geriet. Von dort schrieb er noch Weihnachten 1943 an seine Frau: »Schaue in dem Kind das Erstgeborene einer neuen Menschheit an, das unter Schmerzen geboren, alle Dunkelheit und Traurigkeit überstrahlt.« Im Januar 1944 starb er im Gefangenenlager. Heute hängt die »Madonna von Stalingrad« in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, und als Kopie in der Kathedrale von Coventry. Zwei Reproduktionen kehrten ins heutige Wolgograd zurück, ins Palais des orthodoxen Erzbischofs und als Holzschnitzerei in eine katholische Kirche. So wurde die »Weihnachtsmadonna von Stalingrad« zu einem Symbol der Versöhnung.

Hinrich C. G. Westphal
aus: Der Andere Advent 2006/2007

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Das Schwerpunktthema für Dezember 2007

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Text: Hinrich C. G. Westphal
In: Pfarrbriefservice.de