Nicht mehr gebraucht

Und dennoch wertvoll, auch wenn man nicht (mehr) zu den „Leistungsträgern“ der Gesellschaft gehört

Wir trafen uns an der Fußgängerampel, ich in Eile, um ins Büro zu kommen, und er in Ruhe mit seinem Enkel im Kinderwagen. Das übliche Hallo, ein kurzes Gespräch und auf die Standardfrage: „Wie geht’s?“ blickte er auf den Kinderwagen und meinte: „Eine neue Rolle, aber schön.“ Bis vor kurzem nämlich wäre es undenkbar gewesen, dass er an einem helllichten Werktagmorgen seinen Enkel spazieren fährt. Er war einer, der seinen Beruf liebte, darin aufging, immer Neues ausprobierte, er war immer aktiv. Und dann machte das Herz nicht mehr mit, von heute auf morgen musste er aufhören. Noch keine 55 Jahre alt und vom Arzt ausgemustert, zur Untätigkeit verdammt. Sicher, viele wünschen sich das, den vorgezogenen Ruhestand. Kein Stress mehr im Berufsleben, tun und lassen können, was man will. Aber er hatte beruflich noch viele Pläne. Für ihn war es ein harter Schlag, plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden.

Bei ihm hat die Gesundheit nicht mehr mitgespielt, bei anderen machen die Betriebe dicht oder die Belegschaft wird abgebaut. Oft nach jahrzehntelanger Betriebszugehörigkeit bekommen sie gesagt: „Du bist zu alt, wir können dich nicht mehr brauchen.“

Von Gott gewollt, unabhängig von Leistung und Arbeit

Viele Betroffene fallen dann in ein tiefes Loch. Gut, wenn eine Familie da ist, Partner, Kinder, Enkel, die sagen: „Aber wir brauchen dich.“ Auch als „altes Eisen“ bist du wichtig für uns. Doch es gibt auch Menschen, die keine Familie haben, die sie auffängt, die damit leben müssen, dass sie von niemandem mehr gebraucht werden.

Aber im Unterschied zum Auto, der Wohnung oder sonst irgendeinem Gegenstand, bestimmt sich der Wert des Menschen nicht nach seinem Gebrauchswert. Egal, ob er gefragt oder nicht gefragt ist, ob er zu den Leistungsträgern der Gesellschaft gehört oder nicht, jeder Mensch ist wertvoll und hat seine Würde. Denn – christlich gesprochen – jeder Mensch ist ein von Gott gewolltes Individuum, unabhängig von Leistung und Arbeit. Und deshalb kostbar.

Karl-Heinz (Kalle) Grundmann
Quelle: Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn, www.katholische-hörfunkarbeit.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Karl-Heinz (Kalle) Grundmann, www.katholische-hörfunkarbeit.de
In: Pfarrbriefservice.de