Reden ist Silber – Zuhören ist Gold

10 Tipps, wie gutes Zuhören gelingt

(Langfassung)

Jeder, der gut hören möchte, braucht lediglich gesunde Ohren. Wer allerdings gut zuhören möchte, braucht wesentlich mehr. Zuhören spielt gewissermaßen in einer höheren Liga als das Hören. Für das Zuhören brauchen wir unser „ganzes Herz“.

Für ein gutes Zuhören sollte man stets folgende Hinweise bedenken:

1. Zu-hören heißt zunächst: hin-hören, nicht weg-hören, nicht über-hören, heißt, sich dem anderen zuneigen, ihn annehmen, gelten lassen und ernst nehmen. Im Zuhören wird also ein „Dazu-gehören“ geschaffen, ein Gefühl, das von so manchen Ängsten befreien kann, weil es nämlich Einsamkeit überwindet, Verständnis fördert.

2. Ein guter Zuhörer hört sehr genau hin, was der andere ihm wirklich mitteilen möchte. Dabei achtet er nicht nur auf dessen Worte, er versucht auch herauszufinden, herauszuhören, was dabei sein Gegenüber im Inneren seiner Seele, seines Herzens bewegt, was ihn erfreut, was ihn quält, was ihn ängstigt. Wer also beim Zuhören nur auf äußere Sachverhalte oder Fakten achtet, der verpasst das Wesentliche. Er muss auch die Wünsche, Hoffnungen und Gefühle seines Gegenübers mit herausfinden, heraushören und natürlich auch offen ansprechen. Hier wird bereits deutlich, dass Hören zwar ein Vorgang ist, an dem unsere Ohren teilnehmen, aber im Zuhören wendet sich meine ganze Person, meine ganze Körperhaltung dem Redenden zu. Diese Haltung des Zuhörens wird für unser Gegenüber zur Erfahrung, nicht allein zu sein, begleitet und verstanden zu werden.

3. Ein guter Zuhörer gibt sich nicht nur Mühe, genau auf das zu hören, was der andere „sagt“, sondern er versucht auch großen Wert darauf zu legen, Phantasie und Einfühlungsvermögen zu entwickeln, um heraus zu hören, was sein Gegenüber „nicht“ sagt. Viele Menschen, mit denen wir reden, sagen uns nicht immer alles, was sie innerlich wirklich bedrückt. Vieles verschweigen sie uns aus Scham, aus Angst vor „Gesichtsverlust“ oder vor möglichen Konsequenzen. Vieles sagen sie uns auch nicht, weil es ihnen in diesem Moment nicht voll bewusst ist.

4. Ein guter Zuhörer, der solche Dinge ahnt und spürt, sollte seine Vermutungen dem anderen natürlich nicht als „seine Wahrheit“ überstülpen, sondern soll sie anbieten als eine Bitte, eine Möglichkeit und Chance, einmal über dieses „Nichtgesagte“ nachzudenken, um es dann eventuell für den weiteren Gesprächsverlauf fruchtbar werden zu lassen. Das, was der Zuhörende hört, nicht akustisch, sondern mit seinem wachen Gefühl, kann für den Redenden eine wertvolle Rückmeldung sein, in Zukunft einmal eher und mehr auf diese Seite zu achten, um sie damit besser bearbeiten oder verändern zu können.

5. Ein guter Zuhörer hört nicht nur gut seinem Gegenüber zu, sondern genau so gründlich und ehrlich sollte er sich während des Gesprächs auch einmal „selber zuhören“. Dann könnte er nämlich in sich spüren, wie sein Gegenüber im Laufe des Gesprächs in ihm bestimmte Gefühle, Stimmungen und Phantasien anzuregen vermag, also „hörbar“ werden lässt. Wenn sich sein Gegenüber zum Beispiel stets bei allem und jedem immer nur in einer „Opferrolle“ empfindet, so könnte ein verstecktes, allerdings sehr verstehbares Gefühl von Aggression im Zuhörenden wachgerufen werden, sofern er es  wahrnimmt, ernst nimmt und dann offen ins Gespräch bringt. Es könnte dann eine große Chance sein, auch  die „Täterrolle“ des Gegenübers  offen ins Gespräch zu bringen und ernst zu nehmen. Ein auf mancher Seite nur blindes oder taubes Agieren hilft nicht weiter, es verstärkt auf die Dauer eine seelische „Schiefhaltung“. Nur eine vollständige Wahrnehmung hilft bei der notwendigen Findung des seelischen Gleichgewichts.

6. Ein guter Zuhörer spürt gegen Ende des Gesprächs sehr deutlich, ob sein Gegenüber das Gefühl hat, auch wirklich verstanden worden zu sein. Er wird es ihm entweder direkt sagen oder aber der Zuhörer spürt es an dessen nichtverbalen Äußerungen, wenn etwa sein Gegenüber im Gespräch ruhiger und kräftiger atmen kann oder wenn er manchmal auch wieder herzhaft lachen und ihn hoffnungsfroher anschauen kann. In der Beratungsarbeit kommt es nicht selten vor, dass sich die Ratsuchenden für den Gesprächskontakt ganz herzlich bedanken. Bei näherer Rückfrage, was ihnen denn da genau im Gespräch geholfen habe, kommt sehr häufig eine Antwort, die die Beraterin oder den Berater völlig überrascht. Da wird nicht gesagt: „Ihr guter Ratschlag, Ihre klugen Worte, Ihre befreiende Sicht der Dinge, Ihre klugen Tipps...“ usw., sondern: „Es hat mir so richtig gut getan, dass mir jemand einfach einmal zugehört hat. Danke!“ Dieses  „einfach nur zuhören“ ist alles andere als einfach, es ist in der Tat etwas äußerst Schwieriges, was man richtig lernen muss, es ist etwas Kostbares, was einem dann geschenkt wird.

7. Um das zu erreichen, sollte man bestimmte Verhaltensweisen im Gespräch allerdings meiden, die dort wie ein „Fremd“-Körper ein wirksames Zuhören zerstören können. Sie lassen sich am besten mit „Fremd“-Wörtern charakterisieren: Unbedingt vermeiden sollte man ständiges „Moralisieren“, „Bagatellisieren“, ständiges „Generalisieren“, statt konkret zu bleiben, oder ein ständiges „Debattieren“, indem man jedes Gespräch mit immer „besseren“ Argumenten zu einem Machtkampf ausarten lässt. Ein guter Zuhörer behandelt sein Gegenüber stets „auf gemeinsamer Augenhöhe“ oder besser gesagt „auf gemeinsamer Ohrentiefe“. Er vermeidet deshalb ständiges „Interpretieren“, „Diagnostizieren“ oder „Besserwisserei“. Das wird häufig eher störend als heilsam wirken.

8. Ein guter Zuhörer vermeidet es auch, seinen Gesprächspartner zu missbrauchen, wenn er ihn nur noch oder überwiegend als einen guten Stichwortgeber betrachtet, um sich dann selber immer wieder ins Zentrum des Gesprächs zu bringen, um zu „monologisieren“.

9. Das gute Zuhören gelingt eigentlich immer, wenn sich dabei beide Gesprächspartner authentisch und ehrlich fühlen, den anderen vorbehaltlos annehmen und sich bemühen, sich immer wieder in den anderen hinein zu versetzen. Dann erst führt ein gutes Hören zu einem intensiven Zuhören und zu einem hilfreichen Verstehen.

10. Gerade weil sich dieses gute Zuhören häufig sehr schwierig gestalten kann, braucht es in ganz besonderer Weise genügend Zeit, Kraft, Ruhe, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen. Wenn dies nicht so vorhanden ist, sollte man ein Gespräch, wenn es geht, lieber auf später vertagen. Nichts ist nämlich für das Zuhören  ein größerer „Killer“ als Zeitdruck, Lärm, ständiges Auf-die-Uhr-schauen oder sogar ein gelangweiltes Gähnen.

Der Aphoristiker Ernst Ferstl bringt das Problem des Zuhörens auf den Punkt, wenn er fragt: „Wie sagt man eigentlich jemandem, der nicht zuhören kann, dass er nicht zuhören kann?“

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

Weitere Materialien
von

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe

(Kurzfassung)

Jeder, der gut hören möchte, braucht lediglich gesunde Ohren. Wer allerdings gut zuhören möchte, braucht wesentlich mehr. Zuhören spielt gewissermaßen in einer höheren Liga als das Hören. Für das Zuhören brauchen wir unser „ganzes Herz“.

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für August/September 2022

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,02 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de