Rücksichtsvoll mit den Mitgeschöpfen umgehen
Die Mitgeschöpfe des Menschen dürfen nicht nur und nicht zuerst unter dem Gesichtspunkt des für ihn gegebenen Nutzwerts betrachtet werden. Zwar ist der Mensch legitimiert, pflanzliches und tierisches Leben zu seiner Ernährung, seiner Versorgung und seiner Freude zu gebrauchen und zu verbrauchen. Die Mitgeschöpfe gehen aber in ihrem Nutzwert für den Menschen nicht auf. Die Blume ist nicht allein dazu da, damit der Mensch sich an ihr freut; das Huhn ist keine bloße Eierlegemaschine zur Bereitstellung menschlicher Nahrung; viele Pflanzen und Tiere haben überhaupt keinen erkennbaren und benennbaren unmittelbaren Nutzen für den Menschen.
Das pflanzliche und tierische Leben samt den niederen Formen des Lebens hat zunächst einen Nutzwert für andere Lebewesen neben dem Menschen und für den Lebensprozess insgesamt; schon dies legt dem Menschen bei seinem Umgang mit der Natur Rücksichten auf; er darf sich nicht nur an seinen eigenen Interessen ausrichten, sondern muss die möglichen Auswirkungen auf die Lebensmöglichkeiten anderen Lebens mit bedenken.
Von allem aber haben die Mitgeschöpfe des Menschen unabhängig von ihrem Nutzwert einen Eigenwert, nämlich darin, dass sie auf Gott als den Schöpfer bezogen sind, an seinem Leben Anteil haben und zu seinem Lob bestimmt sind. Einen eigenen Wert und Sinn zu haben bedeutet nicht, dass jedes individuelle Lebewesen oder jede Art erhalten werden müssen. Aber wo der Gedanke des Eigenwerts Anerkennung findet, kann er als Begrenzung und Korrektur dienen gegenüber einer Haltung, der das außermenschliche Leben nichts als Material und Verfügungsmasse in der Hand des Menschen darstellt.
aus: Gott ist ein Freund des Lebens - Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens. Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, Trier 1989, S. 37f.
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