Seelenwanderung versus Auferstehung

Ist die Möglichkeit von Reinkarnation nicht ein Kennzeichen von Gottes Güte?

Die Frage bezieht sich auf Vorstellungen fernöstlicher Religionen und ihrer westlichen Ableger. Danach wohnt die Seele nach dem Tod mehrmals nacheinander in menschliche Körper ein (=Re-inkarnation). Sie erhoffen, der Mensch könne in immer neuen Lebens-Anläufen versuchen, sein Heil zu erwirken. Auch auf Christen scheint das anziehend zu wirken. Der Fragesteller sieht in "Reinkarnation" ein Kennzeichen von Gottes Güte, da er dem Menschen (viele) neue Chancen einräume.

Gott handelt einmalig und unwiederholbar

"Reinkarnation" deutet das menschliche Leben und den Geschichtsverlauf nach dem Vorbild des jahreszeitlichen Kreislaufs der Natur. Alles wiederholt sich. Völlig anders ist das Geschichtsbild der Bibel; es beruht auf der Art und Weise, wie Gott sich offenbart hat. Israel hat Gott z.B. geschichtlich als den erfahren, der es aus Ägypten herausgeführt hat. Die neutestamentliche Offenbarung Gottes in Jesus Christus zeigt noch eindrücklicher, dass Gott in der Geschichte jeweils einmalig und unwiederholbar handelt. Ein zweiter Christus ist undenkbar. Heilsgeschichte gleicht danach einem Pfeil, dessen Spitze auf eine zukünftige Vollendung zeigt. Zeit ist im biblischen Glauben so kostbar, weil sich in ihr Gott mitteilt; der Mensch erhält von Gott Zeit, um darauf zu antworten; verpasste Gelegenheiten sind unwiederbringlich.

Selbst für den Tod gilt: er ist ein Moment im Leben des Menschen, der eintritt, nicht wiederkehrt und nicht in irdisches Leben umkehrbar ist. Der in der Geschichte handelnde Gott und "Reinkarnation" sind danach schlicht unvereinbar.

Der Leib und die menschliche Identität

"Reinkarnation" setzt voraus, dass das Eigentliche des Menschen die Seele ist, der Leib dagegen das Niedere und deshalb Austauschbare. Danach hätte der Mensch einen Leib bzw. Leiber, aber er wäre nicht Leib in dem Sinn, dass er zur menschlichen Identität dazugehört. Würde die Seele in einen anderen Leib einwohnen, käme eine andere Identität zustande; gleichzeitig wäre der frühere Leib von der Vollendung ausgeschlossen! Nach christlicher Auffassung ist der Mensch dagegen eine Einheit, innerhalb der Leib und Seele unterscheidbar sind; er ist jedoch "nicht ein Zusammengesetztes aus zwei für sich existierenden Teilen" (G. Greshake). In der Auferstehung Jesu zeigte sich, dass seine Identität und seine Leiblichkeit einschließlich der Wundmale gewahrt blieben: "Seht meine Hände und Füße an: Ich bin es selbst" (Lk 24, 39).

Für uns gilt ähnliches: "Das Hoffnungsziel Auferstehung wahrt sowohl die Einheit des Menschen wie auch die Ganzheit seiner Vollendung..." (G. Greshake).

Erlösung ist bereits erwirkt

"Reinkarnation" baut darauf, dass der Mensch selbst die Vollendung seines Lebens herbeiführen kann. Ganz anders der christliche Glaube. Er bekennt, dass Gott es ist, der gnadenhaft, helfend und schenkend unser Menschsein zur Entfaltung bringt. Der Mensch ist in dieses Handeln Gottes einbezogen; er ist aufgefordert, es in Freiheit anzunehmen, auf Gottes Liebe glaubend und tätig zu antworten. Die Erlösung dagegen hat uns Christus bereits erwirkt. Unsere Hoffnung ist von daher untrennbar mit Christus verknüpft: "Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod zum Leben hinübergegangen" (Joh 5, 24). Die Güte Gottes zeigt sich also nicht in einer Vielzahl von aufeinanderfolgenden Leben zwecks menschlicher Selbstheiligung, die dann doch nicht aus der Endlichkeit hinausführt. Unsere Zukunftschance liegt vielmehr darin, dass Gottes Güte dem Glaubenden Anteil am Weg Jesu Christi gewährt, der in die Wirklichkeit Gottes hinein auferstanden ist.

P. Dr. Dietmar Schon OP, www.christl-spiritualitaet.de

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Text: P. Dr. Dietmar Schon OP
In: Pfarrbriefservice.de