Speed-Dating

Wenn Gespräche gelingen sollen, kommt es auf die Haltung an

Gerne erinnere ich mich an einen evangelischen Kirchentag in Berlin zurück. Gerade der Abend der Begegnung lud ein, Menschen kennenzulernen. Als ich durch die Menge an den Ständen entlang schlenderte, wurde ich unvermittelt angesprochen: „Haben Sie Lust auf ein Speed-Dating? Schnell und mit nur ein paar Fragen werden Sie neue Leute kennenlernen!“ So konkret hatte ich mir den Begegnungsabend nicht vorgestellt. Und Speed-Dating ist eigentlich nicht meine Sache. Ich lasse mich drauf ein und setze mich meiner fremden Gesprächspartnerin gegenüber. Auf einem Din A4-Blatt stehen verschiedene Fragen zu Herkunft und Alter, zu Beruf und Lebensform. Wir kommen schnell ins Gespräch. Die einfachen Fragen führen uns weiter auch zu grundsätzlichen Lebensthemen. Nach einer Viertelstunde ist es vorbei, schade, denn so schnell bin ich selten mit jemandem ins Gespräch gekommen.

Ich habe zwar nur ein paar Bruchstücke vom Inhalt des Gesprächs behalten. Aber gut in Erinnerung geblieben sind mir das Lachen und die wertschätzende offene Art meiner Gesprächspartnerin.
Und im Alltag? Auf dem Weg zur Arbeit treffe ich in U-Bahn und Bus viele Menschen. Einige sehe ich jeden Tag und sie sind mir vertraut, so dass ich sie sogar vermisse, wenn sie länger nicht mitfahren. Aber ins Gespräch komme ich fast nie. Meistens ist jeder und jede am Morgen mit sich selbst beschäftigt. Und ehrlich gestanden: ich auch.
Und in der Nachbarschaft?  Viele kenne ich vom Sehen, mit manchen habe ich regen Kontakt. Ist das schon Begegnung?

Alles wirkliche Leben ist Begegnung

Bei uns ziehen neue Nachbarn ein. Noch ist es Baustelle. Im Briefkasten liegt eine Karte mit einem Schokoladen-Smiley. Sie bitten um Verständnis für den Lärm und laden zur Einweihung ein. Ich bin neugierig auf diese Familie. So beginnt Begegnung, in dem ich auf den anderen zugehe.

Alles wirkliche Leben ist Begegnung, sagt der Religionsphilosoph Martin Buber. Auf dem Kirchentag habe ich gemerkt, dass es dabei nicht auf die Geschwindigkeit ankommt. Dort war es trotz der kurzen Zeit ein intensives Gespräch. Es war ein Moment, in dem wir Leben und Glauben miteinander geteilt haben. Für mich war es mehr als ein einfaches Gespräch, für mich war es ein Geschenk. Es zeigt mir:
Wichtig ist die Haltung, in der ich anderen begegne – offen und auf Augenhöhe.

Christopher Maaß, Berlin
Quelle: Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn, www.katholische-hörfunkarbeit.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Das Schwerpunktthema für Juli/August 2021

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Text: Christopher Maaß, Berlin, www.katholische-hörfunkarbeit.de
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