Und wie beten andere Religionsgemeinschaften?
Judentum
Dienst des Herzens
Der Rabbiner Zsolt Balla leitet die israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig und ist Militärbundesrabbiner für die Bundeswehr
Welche Bedeutung hat ein Gebet im Judentum?
Zsolt Balla: Es ist ein Gebot der Tora, zu beten. Und Gebet bedeutet im Judentum „Dienst des Herzens“. Im Glaubensbekenntnis heißt es nämlich, dass Israel den Herrn „mit ganzem Herzen“ lieben soll. Das Verb „beten“ ist übrigens reflexiv, also in der Bedeutung von „sich beten“. Damit wird ausgedrückt, dass Gott unser Gebet nicht braucht. Wir brauchen es, um mit Gott zu kommunizieren, eine Verbindung zum Göttlichen aufzunehmen und uns zum Besseren zu ändern.
Sind Form und Inhalt der Gebete festgelegt?
Zsolt Balla: Sie sind fest formuliert, die damit verbundenen Rituale exakt choreografiert. Dazu gehört auch bei den Männern das Bedecken des Kopfes mit der Kippa, das Umlegen des Gebetsschals, des Tallit, und das Anlegen der Gebetsriemen, der Tefillin. Es gibt drei feste Gebetszeiten: morgens, mittags und abends. Eingerahmt und strukturiert werden die Gebetszeiten durch das Kaddisch, ein Gotteslob. Es ist auch Totengebet, traurig und lebensbejahend zugleich. Zentral ist das sogenannte Achtzehngebet, das immer stehend gesprochen wird. Es besteht aus Lobpreisungen und unterschiedlichen Bitten für ein jüdisches Leben.
Gebetet wird in der Synagoge?
Zsolt Balla: Ja. Für fromme Juden gilt: Sie sollen unbedingt in der Gemeinschaft in der Synagoge beten, wenn sie diese innerhalb von 18 Minuten ohne Umwege erreichen können. Frauen müssen dort nicht hin und sind auch nur verpflichtet, einmal am Tag zu beten, egal zu welcher Uhrzeit. Das liegt daran, dass man sie für spiritueller hält als Männer.
Ulla Arens
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu, In: Pfarrbriefservice.de
Islam
Dua und Salah
Dr. Tuba Isik, Professorin für Islamische Religionspädagogik und Praktische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität, beschreibt die freien und die rituellen Gebete im Islam.
„Das Dua ist im Islam die persönliche, freie Form des Gebets, in dem die Gläubigen ihr Herz ausschütten und Wünsche, Bitten formulieren können im Vertrauen darauf, dass sie erfüllt werden. Ein Dua können Muslime zu jeder Tages- oder Nachtzeit sprechen. Im Gegensatz dazu gibt es das jeden Muslim verpflichtende rituelle Gebet, das Salah, das fünfmal am Tag zu bestimmten Zeiten ausgeführt wird.
Vor dem Gebet waschen sich die Gläubigen (wudu) – und zwar die Hände, die Arme bis zum Ellenbogen, Gesicht und Füße. Die nasse Hand berührt den Kopf, den Nacken und die Ohren. Auch die Kleiderordnung ist wichtig: Bei den Männern müssen die Beine mindestens bis zu den Knien bedeckt sein, auch der Oberkörper ist verhüllt. Bei den Frauen müssen Hände, Füße und Gesicht offen sein, sonst ist der Körper bedeckt. Gebetet wird in südöstliche Richtung, also gen Mekka. Die Gebete sind genau festgelegt, ebenso die Choreografie des Verbeugens, Stehens, Sitzens und sich Niederwerfens.
Das Ritual selbst ist jeden Tag gleich; die inhaltlich zitierten Koranverse können jeweils variieren. Uns Muslimen ist empfohlen, wann immer möglich gemeinsam zu beten, was vor allem die Gleichheit unter den Menschen bewusst machen und die Gemeinschaft stärken soll. Am Freitag ist es für Männer verpflichtend, in der Moschee gemeinschaftlich zu beten. Für die Frauen nicht, sie können aber trotzdem mitbeten.“
Ulla Arens
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu, In: Pfarrbriefservice.de
Hinduismus
Keine festen Regeln
Haladhara Thaler, Mitglied des Berliner Forums der Religionen und früherer langjähriger Leiter der Hindu-Gemeinde Berlin, über hinduistische Glaubenspraxis
Zu wem beten die Hindus?
Haladhara Thaler: Da gibt es eine große Vielfalt. Sie haben die Götter Vishnu und Krishna, manche Hindus beten zu Brahman, dem Alleinen, eine Art Weltseele, die alles durchdringt. Dann gibt es noch viele Gottheiten, die ebenfalls angebetet werden. Ich selbst bete zu Radha und Krishna. Radha ist der Liebesaspekt Gottes.
Gibt es bestimmte Gebetszeiten?
Haladhara Thaler: Nein, Hindus haben keine festen Gebetszeiten, obgleich die „Brahmamuhurta“, die Zeit kurz vor Sonnenaufgang, eine sehr gute Zeit zum Beten ist. Hindus können immer und überall zu Gott oder ihren Göttern sprechen. Es kommt dabei auch nicht auf die Länge des Betens an, sondern auf die Qualität. Nämlich beim Beten ganz in der Gegenwart und in der Verbindung zum Göttlichen zu sein.
Wo wird gebetet?
Haladhara Thaler: Der Hausaltar spielt eine große Rolle im Hinduismus. Vor ihm werden Gaben dargebracht und im Lotus- oder Schneidersitz Mantren gesprochen – laut, leise oder stumm in Gedanken. Es gibt auch Gottesdienste in den Tempeln, denn gemeinsames Beten ist stärker. Aber natürlich kann man auch allein beten, draußen beim Gehen, man kann dazu tanzen, sich wiegen oder sich niederwerfen. Man kann Gebetsketten benutzen, bei der jede der 108 Perlen ein Mantra ist. Oder man betet frei. Hauptsache, man fühlt sich wohl damit.
Das heißt, jeder kann beten, wie und was er will?
Haladhara Thaler: Es gibt Traditionen, die gepflegt werden, aber keine festen Regeln. Nicht die Form ist entscheidend, sondern die innere Verbindung zu Gott. Die versucht man auch zu halten, wenn man nicht betet.
Ulla Arens
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu, In: Pfarrbriefservice.de
Buddhismus
Rezitieren statt beten
Sylvie Hansbauer aus Wien ist Vorsitzende der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft. Sie erklärt ihre Beziehung zu Buddha.
„Der Buddhismus ist keine Glaubenslehre, sondern eine Erfahrungslehre, die drei große Traditionen beinhaltet“, erklärt Sylvie Hansbauer, die streng katholisch aufwuchs und vor 25 Jahren zum Buddhismus konvertierte. „Es gibt den Theravada-Buddhismus, den Mahayana-Buddhismus und den tibetischen Buddhismus.“ Sie selbst gehört dem Theravada-Buddhismus an. „Buddha ist nicht unser Gott, sondern unser Lehrer, der den Weg zu innerer Befreiung darlegte.“
Sein Bildnis schmückt den Altar im Tempel. Gaben werden ihm dargebracht: Blumen symbolisieren die Vergänglichkeit aller Dinge. Mit den Räucherstäbchen wird das Dharma – die Lehre des Buddha – hinaus in die Welt getragen. Wasser und Reis stehen für geistige Nahrung. Buddhistinnen und Buddhisten machen vor dem Altar drei Verbeugungen. Das heißt: Sie gehen auf die Knie, die Stirn berührt den Boden. „Dann wird gemeinsam auf Pali, der Sprache Buddhas, rezitiert. Der Text beginnt mit der Zeile ‚Ich nehme Zuflucht zum Buddha‘. Nach einem Gongschlag mit der Klangschale beginnen die Praktizierenden mit der Meditation – schweigend, im Sitzen oder auch gehend.“
Im tibetischen Buddhismus, so Sylvie Hansbauer, werden verschiedene Aspekte des erwachten Geistes betont. „Das kann etwa der Buddha des Mitgefühls sein.“ Die Gläubigen rezitieren vor dem Hausaltar buddhistische Texte und Mantras, teils verbunden mit der Bitte um Beistand.
Ulla Arens
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Ulla Arens, Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.euIn: Pfarrbriefservice.de