Von Basislagern und der Bezwingung eines Achttausenders

Was hilft in der Pubertät? Ein Interview mit der Kess-Referentin Angelika Reinhart

Pubertät ist, wenn Eltern schwierig werden - oder doch wohl anders herum? Offensichtlich gilt für diese Zeit, dass vieles in der Familie in Bewegung gerät – bisherige Rollenmuster, Absprachen und Rituale funktionieren oft nicht mehr. Was hilft den Eltern, um mit ihren Jugendlichen einen guten Weg zu finden? Ein Gespräch mit Angelika Reinhart. Sie ist für den Familienbund der Katholiken (FDK) im Bistum Würzburg als Referentin für die Elternkurse "Kess-erziehen: Abenteuer Pubertät.“ tätig.

Viele Eltern erleben die Pubertät ihrer Kinder als Problemzeit, als Krisenzeit. Die Kinder ziehen sich zurück, der Kontakt zu ihnen droht abzubrechen. Für den Elternkurs Kess-erziehen ist dagegen die Pubertät ein Abenteuer. Warum?

Angelika Reinhart: Weil es um eine positive und auch herausfordernde Sichtweise geht. Kess-erziehen will den Eltern sagen: Ja, es ist ein anstrengender Weg, aber ihr schafft das. Lasst euch mit Lust und Neugier darauf ein.

Abenteuer klingt nach Bezwingung eines 8000-Meter-Gipfels.

Angelika Reinhart: Das ist die Herausforderung, der sich die Jugendlichen sinnbildlich gegenübersehen. Den eigenen Weg ins Erwachsenenleben zu finden, mit Höhen und Tiefen, mit Rückzug ins Basislager und immer wieder neuen Anläufen in Richtung Gipfel.

Was ist das Basislager?

Angelika Reinhart: Das Basislager sind die Eltern. Auch wenn man als Mama oder Papa einen anderen Eindruck bekommen kann - die Pubertät ist noch einmal eine ganz wichtige Zeit in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Die Eltern sind und bleiben das Basislager für ihre Kinder. Kein Mensch kommt auf den Gipfel ohne Basislager. Gerade in der Pubertät, wo vieles für die Jugendlichen unsicher und ungewohnt ist, schätzen sie es sehr, wenn sie einen sicheren Ort haben, wo sie neue Kraft schöpfen können. Wobei die Jugendlichen selbst entscheiden, wie oft sie an dieses Basislager andocken.

Das klingt nach Wellness-Oase für Pubertierende. Geht es nur darum, ihre Bedürfnisse zu befriedigen?

Angelika Reinhart: Nein. In einem Basislager ist jeder wichtig. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen, dass das Lager funktioniert. Und meine Erfahrung ist, dass die Jugendlichen sehr wohl ihren Beitrag leisten, wenn sie sich darauf verlassen können, dass auch die Eltern ihre Aufgaben wahrnehmen.

Was ist der Hauptfehler, den Eltern im Umgang mit ihren Jugendlichen machen können?

Angelika Reinhart: Kess-erziehen schaut nicht auf die Fehler, sondern auf die Qualitäten. Es geht auch nicht um fertige Rezepte, sondern es geht um eine andere Haltung. Kess-erziehen möchte Väter und Mütter anregen, neu auf problematische Situationen zu schauen und die eigene Haltung so zu verändern, dass man sagen kann, das Glas ist halbvoll und nicht halbleer.

Das klingt nach schönreden.

Angelika Reinhart: Nein, darum geht es nicht. Ein Beispiel: Die dreizehnjährige Tochter zieht sich für die Schule frühmorgens dreimal um. Die Zeit drängt, das Kinderzimmer ist mit Kleidern übersät. Da liegen doch Bemerkungen auf der Zunge, wie: Du gehst doch nur in die Schule und nicht auf eine Party. Was soll der Aufwand? Oder: Wie schaut’s in deinem Zimmer aus? Wenn ich aber als Mama oder Papa wahrnehmen kann, dass es für die Tochter gerade unheimlich wichtig zu sein scheint, wie sie auf andere wirkt, kann ich verständnisvoller reagieren und trotzdem klare Absprachen mit ihr treffen, was z.B. das Zimmer-Aufräumen betrifft.

Was lernen Eltern in einem Kess-Kurs "Abenteuer Pubertät“?

Angelika Reinhart: Sie bekommen viele Anregungen für eine wertschätzende Haltung, die die Jugendlichen spüren lässt: Ich trau dir das Leben zu und ich gebe dir das, was du dafür brauchst.

Was sind Ihre eigenen Erfahrungen mit Kess bei Ihnen zuhause?

Angelika Reinhart: Mir persönlich geht es besser mit Kess. Wenn ich nicht Referentin wäre, wäre ich als Mama Kess-Wiederholungstäterin. Trotzdem gibt es auch bei uns total anstrengende Phasen. Aber dass sich etwas verändert, merke ich an der Zeit, die wir miteinander verbringen. Sie ist intensiver und freundlicher gestimmt. Wir sind einander mehr zugewandt.

Angelika Reinhart (Jg. 1969) ist Gemeindereferentin im Bistum Würzburg und Mutter von drei Teenagern. Sie arbeitet als Religionslehrerin und in der Schulpastoral an Real- und Mittelschulen.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

Mehr Informationen zum Elternkurs "Kess-erziehen: Abenteuer Pubertät.“ unter www.kess-erziehen.de. Der Kurs wird bundesweit über verschiedene kirchliche Träger angeboten.

Hinweis: Ein Bild von Angelika Reinhart finden Sie hier

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de