Warum Selbstoptimierung gefährlich ist

Die Auswirkungen auf den Einzelnen

Dr. Christoph Augner ist Psychologe und Hochschullehrer. Bereits 2020 hat er das Buch „Selbstoptimierung ist auch keine Lösung“ geschrieben. Im Interview erklärt er, warum es lohnt, vorsichtig mit Selbstoptimierung umzugehen. Warum sich Selbstoptimierung negativ auf den Menschen auswirkt. Und wie sich die Gesellschaft aufgrund von Selbstoptimierung verändern wird.

1. Das Wettrennen, das sich niemals gewinnen lässt 
„Ich erreiche mit der Selbstoptimierung leider nicht einmal einen Punkt, der wirklich zufriedenstellend ist, denn dann gibt es unmittelbar das nächste Ziel. Ich bin nie am Ende. Es geht immer weiter. Das hat Auswirkungen auf das eigene Leben.“

2. Ein Kreisen um sich selbst
„Das „Ich“ steht im Mittelpunkt. Die Gerichtetheit ist sehr stark auf sich selbst. Früher hat es auch Egoismus gegeben. Aber als Kultur ist das stark im Mittelpunkt. Das heißt, alles, was im Leben mit den Themen Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu tun hat, bezieht sich eher auf sich selbst und weniger auf andere. Durch diese Selbstbezogenheit ist es wahrscheinlich so, dass die Erwartungshaltung, was im Leben für mich von außen geboten werden muss, höher ist, als es früher war.“

3. Der schwindende Altruismus
„Altruistische Motive sind nicht verschwunden, aber tendenziell am Rückzug. Das heißt, es wird gesamtgesellschaftlich gesehen schwieriger werden altruistisches Verhalten zu generieren. Wenn man es zum Beispiel in Katastrophensituationen einfordern muss, werden wir es mit egoistischen, selbstbezogenen Motiven verbinden müssen. Egoismus ist nicht schlecht, aber es kommt auf die Dosis an.“

4. Einsam sein, trotz stärkster Vernetzung in der Geschichte 
„Gemeinschaft ist schwieriger. Es ist ein bisschen ein Treppenwitz der Geschichte. Wir alle sind in den Sozialen Medien aktiv, sind so gut vernetzt wie noch nie irgendjemand zuvor in der Geschichte, aber dadurch entsteht keine Gemeinschaft. Einsamkeit, Alleinsein entsteht auch, wenn ich 1000 Freunde auf Sozialen Medien habe. In Studien mit älteren Menschen sieht man: Die negativen Wirkungen, die Einsamkeit und Alleinsein auf meine Psyche haben, können massiv abgefedert werden, wenn es nur eine einzige Person gibt, mit der ich mich regelmäßig austausche und eine gewisse Vertrauensebene habe. Die Oberflächlichkeit von Kontakten hilft uns sehr wenig im Unterschied zu wenigen Kontakten mit tiefen Beziehungen. Die Qualität zählt. Die Quantität zählt fast nicht.“

5. Gemeinschaft nur leben, um individuelle Optimierungsziele zu erreichen
„Gemeinschaft wird heute immer wieder mit gemeinschaftlichen Zielen verbunden. Die Menschen wollen gemeinsam irgendetwas erreichen. Sie nutzen die Gruppe für ein individuelles Ziel, damit sie das leichter erreichen. Aber die Gemeinschaft an sich ist nicht das Ziel. Es geht zum Beispiel nur darum, jemanden zu motivieren, fitter oder gesünder zu sein. Gemeinschaft ist weiterhin möglich, weil diese Gefühle, diese Verbundenheit mit anderen Menschen nicht verschwunden sind. Aber dieser Trend der Selbstoptimierung ist grundsätzlich gegenläufig dazu.“

6. Job-Hopping als Karrierestopper
„Es gibt diesen Trend, ständig die Jobs zu wechseln. Aber, wenn Leute immer nur eineinhalb oder zwei Jahre bei einem Unternehmen sind, kommen sie dort nicht richtig an. Es braucht Zeit, um in großen Unternehmen in die Kultur hineinzukommen. Es braucht Zeit, bis sich eine Vertrautheit mit den Personen, den Abläufen entwickelt. Erst dann können sich Mitarbeitende in so einer Struktur beweisen.“

7.  Dauerhaft die Wohnorte wechseln – rastlos und entwurzelt werden
„Wenn Menschen ständig die Wohnorte wechseln, entwickelt sich das Gefühl, wenn wir an verschiedenen Orten sind, von Flughafen zu Flughafen fliegen. Dieses Gefühl, nie irgendwo anzukommen. Damit sollten sich die Menschen aktiv beschäftigen. Nicht, dass sie am Ende alles möglich versäumt haben, weil sie nichts versäumen wollten.“

8. Partner testen und Kinder perfektionieren
„Es gibt diese Idee der perfekten Kinder. Wenn ich das mache, kriege ich automatisch ein perfektes Kind. Oder die Idee des perfekten Partners oder der perfekten Partnerin. Wenn ich auf das achte, habe ich eine perfekte Partnerin. Menschen können Tests machen, ob sie gut zusammenpassen. Es ist fraglich, ob es nicht klüger wäre, hier einen anderen Weg zu gehen. Keine Tests zu machen und mehr auf sein Bauchgefühl zu hören. Ich bin überzeugt davon, dass nichts Schlechteres herauskommt.“

Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Ronja Goj
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