Was tun, wenn andere hetzen?
8 Tipps für mehr Zivilcourage und Menschlichkeit
Wenn im Bus jemand den „Neger” vor dir beschimpft, deine Kollegin vor der „Islamisierung des Abendlandes” warnt und dein Onkel über Sozialschmarotzer wettert, wird es Zeit zu reagieren. Nur wie? Wir zeigen, wie du mit guten Argumenten und einer klaren Haltung für mehr Menschlichkeit einstehen kannst.
In unruhigen Zeiten wächst bei vielen der Wunsch nach Sicherheit – einfache Antworten und eindeutig Schuldige sollen dabei helfen. Das Problem: Wenn populistische, rassistische oder rechtsextreme Äußerungen unkommentiert bleiben, macht das etwas mit denen, die das hören (oder im Web lesen). Die einen fühlen sich verunsichert, die anderen beschämt, betroffen oder bestätigt. Wenn dir etwas an einer vielfältigen Gesellschaft liegt, in der jeder Mensch respektvoll behandelt wird, solltest du dich einmischen.
1. Auf deine Haltung kommt es an
Mach dir bewusst, in welcher Gesellschaft du leben möchtest und wie dir andere begegnen sollen. Sind dir Menschenrechte wichtig, dann fordere sie ein - mit Selbstvertrauen und der Gewissheit, das Richtige zu tun. Dann kannst du auch gut damit leben, dass es keine Patentrezepte gibt, wie man Leute mit Vorurteilen für eine offene Gesellschaft begeistern kann. Einfache Antworten auf komplexe Probleme bringen uns jedenfalls nicht dorthin.
2. Versuche zu verstehen, warum jemand hetzt
Es ist wichtig, dass du die Situation und den Hintergrund richtig einordnest, in der eine menschenverachtende Aussage fällt. Dabei helfen solche Fragen:
- Ist es unüberlegtes Geschwätz oder steckt eine rechtsextreme Ideologie dahinter?
- Sind Menschen anwesend, die sich durch die Aussage betroffen fühlen können?
- Warum vertritt jemand diese Ansicht? Hat er oder sie zum Beispiel Angst vor einem sozialen Abstieg oder geht es darum, Aufmerksamkeit zu bekommen?
3. Bringe dich nicht in Gefahr
Wenn du im Alltag für Menschlichkeit eintrittst, solltest du dich dabei nicht in Gefahr bringen. Wenn du Hilfe brauchst, hole sie dir zunächst bei Leuten, die in der Nähe sind: „Entschuldigung, Sie im roten Pullover, können Sie bitte die Polizei anrufen?”
Durch die direkte Ansprache fühlen sich Umstehende eher in der Pflicht, etwas zu unternehmen, als bei einer allgemeinen Aussage wie: „Kann bitte jemand die Polizei rufen?”
4. Konzentriere dich auf ein Argument
Wenn Vorurteile, Hass und Hetze eine Diskussion bestimmen, jagt oft eine Parole die nächste: von der Unterdrückung muslimischer Frauen über laute Muezzin-Rufe, zwei Smartphones pro Flüchtling geht es zu Kinderehen, Sozialbetrug und dem Schweinefleischverbot in Kantinen.
Bei so einem Redeschwall rassistischer oder populistischer Äußerungen kannst du dein Gegenüber irritieren, um selbst zu Wort zu kommen. Unterbreche ihn oder sie mit einer Banalität: „Kann ich mal kurz das Fenster aufmachen?” oder: „Prost!”. In der Pause, die dadurch entsteht, kannst du ins Gespräch einsteigen. Beende da zunächst das Durcheinander. Greife das Argument heraus, bei dem du dich sicher fühlst und diskutiere ausschließlich darüber. Gehe erst zu einem anderen Thema über, wenn es dir gelingt, eine Aussage zu entkräften – oder zumindest die Einsicht zu erzeugen, dass es nicht ganz so einfach ist, wie zuvor dargestellt.
5. Frage nach den Quellen
Immer wieder basieren Argumente auf Halbwissen oder Vermutungen. Um das aufzudecken, kannst du Leute, die du öfter triffst, fragen: „Davon habe ich noch nichts gehört, kannst du mir eine Quelle dazu geben? Dann gucke ich es mir zu Hause an und wir reden nächstes Mal an dem Punkt weiter.” Dies solltest du dann natürlich auch machen. In der Zwischenzeit kannst du auch weitere Quellen recherchieren und diese beim nächsten Gespräch einfließen lassen.
6. Sorge für einen Perspektivwechsel
Wer sich rassistisch oder populistisch äußert, sieht meist nur sich und seine Vorteile - oder die vermeintlich drohenden Nachteile. Es lohnt sich, diese Sichtweise direkt in Frage zu stellen: „Wie stellst du dir das mit geschlossenen Grenzen vor? Was bedeutet das für deinen Italienurlaub?”, „Würdest du in deinem Land bleiben, wenn du kein funktionierendes Krankenhaus in der Umgebung hast?” Oder: „Wenn du fliehen müsstest, würdest du das dicke Fotoalbum mitnehmen oder das Handy, auf dem die Bilder deiner Familie sind?”
Auch eine bildliche Darstellung kann gut funktionieren, wenn etwa bei einer Million Geflüchteten von einer „Überfremdung” geredet wird. Kann bei 80 Millionen Einwohner(inne)n in Deutschland davon ausgegangen werden, dass diese Zahl (ein Achtzigstel) eine Gesellschaft so stark verändert?
7. Stelle dich auf die Seite der Betroffenen
Wer schweigt, stimmt zu. Deshalb solltest du einschreiten, wenn jemand öffentlich über „Schwule”, „Juden” und andere Gruppen pauschal und verletzend herzieht. Dabei geht es zunächst nicht darum, den Provokateur zum Umdenken zu bringen. Wichtiger ist, die zu unterstützen, die von den Aussagen betroffen sind. Gib ihnen das Gefühl, nicht alleine zu sein.
Wenn zum Beispiel jemand in der Bahn antisemitisch beleidigt wurde, kannst du ihm zur Seite stehen, indem du ein Gespräch mit ihm beginnst und über etwas anderes sprichst: „Wie soll das Wetter morgen werden?” oder „Möchten Sie sich zu mir setzen?” So vermeidest du den direkten Konflikt mit dem Provokateur und begibst dich nicht in Gefahr, selbst angegriffen zu werden.
Wenn du es mit geschulten Rechtsextremist(inn)en zu tun hast, ist eine Diskussion sowieso nicht gewinnbringend. Du wirst sie nicht von ihren Ansichten abbringen, sondern dich nur aufreiben. Hier könnte eine deutliche Ansage, wie „Ich möchte im Bus nicht neben Personen mit solchen menschenfeindlichen Einstellungen sitzen” funktionieren. Auf diese Weise beziehst du Stellung, andere Fahrgäste werden darauf aufmerksam und zeigen sich im Idealfall solidarisch.
8. Bereite dich gedanklich vor
Mach dir Gedanken über mögliche Strategien, wie du auf menschenverachtende Diffamierungen reagieren willst. So gehst du vorbereiteter und zuversichtlicher in eine Diskussion, auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, da jede Situation anders ist. Allerdings bekommst du ein Gefühl dafür, ob bestimmte Argumente und Vorgehensweisen funktionieren und ob sie sich für dich richtig anfühlen, wenn du verschiedene Situationen für dich oder mit Freunden durchspielst.
Autor: Achim Bröhenhorst, Sachbearbeiter beim Landespräventionsrat Niedersachsen im Bereich Prävention von Rechtsextremismus
Quelle: www.caritas.de/gegenhetze. In: Pfarrbriefservice.de
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Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,03 MB
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Text: Achim BröhenhorstIn: Pfarrbriefservice.de