Wein - eine göttliche Angelegenheit

Das köstliche Getränk schmeckt nicht nur nach Leben und Lachen, sondern auch nach dem Tod Jesu

Ein guter Wein zählt nicht zu den gewöhnlichen Nahrungsmitteln. Er ist nach wie vor ein Genussmittel, je nach Preislage sogar Luxus, auf alle Fälle aber ein Extra, das zur eigentlichen Mahlzeit noch hinzukommt. Trotzdem: ein Lifestyle-Getränk, das gerade angesagt ist, um bald wieder von der nächsten Mode abgelöst zu werden, ist er auch nicht. Wein, so könnte man sagen, haben die Menschen immer schon getrunken. Sage und schreibe 7.000 Jahre alt ist die älteste bekannte Kelteranlage, die von Archäologen entdeckt wurde. Ohne Übertreibung kann man sagen: Weinanbau hat die menschliche Geschichte immer begleitet. Er ist Teil der menschlichen Kultur und tief in ihr verwurzelt, so tief, dass er Eingang in uralte Mythologien gefunden hat.

Wein – eine göttliche Angelegenheit?

Man denke nur an die bildreiche Mythologie des antiken Griechenland. Dort gibt es mit Dionysos sogar einen Gott des Weines. Manch einer mag da die Stirn runzeln und die Frage stellen, ob das berauschende Genussmittel Wein tatsächlich eine „göttliche“ Angelegenheit ist. Was für einen Sinn sollte das haben?

Nun, vielleicht spiegelte sich in einem Gott wie Dionysos das Bewusstsein dafür wider, dass Menschsein sich nicht in Arbeit, Pflichterfüllung, Ernährung, kurz: im bloßen Überleben erschöpfen sollte. Zum Menschsein darf auch die Freude zählen, die Feier, der Genuss, die Ausgelassenheit – und der Wein ist Inbegriff für all das. Deshalb, so meine Vermutung, gab es nicht nur eine Göttin der Weisheit, eine Göttin der Jagd, einen Gott des Krieges, sondern eben auch einen Gott des Weines. Dionysos spiegelt allerdings auch die Schattenseiten wider, die dem Wein innewohnen: Die Geschichten über ihn erzählen auch von Ausschweifung, Zügellosigkeit, besinnungslosem Rausch bis hin zum Wahnsinn. Die Mythologie beschönigt nichts, sondern ist äußerst realistisch.

Der Wein spielt auch in der Bibel eine große Rolle. Ich vermute, dass jedem, der sich ein wenig in der Schrift auskennt, sofort mehrere bekannte Verse einfallen – vor allem aus den Evangelien. Jesus verwendet für seine frohe Botschaft gerne Bilder von der Traube, dem Wein, dem Weinstock oder dem Weinberg. Die berühmteste Stelle ist wohl die Erzählung von der Hochzeit zu Kana, bei der Jesus sechs große Krüge mit Wasser in Wein verwandelt.

Und dann ist da natürlich das Geschehen im Abendmahlssaal. „Das ist mein Blut“, sagt Jesus Christus, als er einen Becher mit Wein an seine Jünger weiterreicht. Der Wein – zusammen mit dem Brot erinnert er im christlichen Glauben an das Leiden und Sterben Jesu Christi. Mehr noch: In der Eucharistiefeier, so der Glaube der katholischen Kirche, wird Jesus Christus in Brot und Wein tatsächlich gegenwärtig. Auch im Christentum ist das Genussmittel Wein also eine höchst „göttliche“ Angelegenheit.

Ein köstliches Getränk und der Kreuzestod

Es gibt eine nüchterne Erklärung dafür, dass Jesus beim letzten Mahl auf Brot und Wein zurückgegriffen hat. Jesus hat an diesem Abend mit seinen Jüngern das jüdische Pascha-Mahl gefeiert, und Wein ist fester Bestandteil dieses Mahls. Dass es sich beim Wein um ein köstliches Getränk handelt, das zum Genuss einlädt, spielt also zunächst keine Rolle. Kann es überhaupt eine Rolle spielen, da Jesus mit der Aussage „Das ist mein Blut“ ja an seinen bevorstehenden, grausamen Tod erinnert?

Ich denke schon, dass es eine Rolle spielen darf. Wenn die Kirchen Eucharistie und Abendmahl feiern und an Jesus Christus erinnern, dann geht es nicht um etwas Alltägliches, sondern etwas Außerordentliches, eigentlich Unerhörtes. Es geht darum, dass Jesus die Macht des Todes von den Menschen genommen hat; dass wir das uns geschenkte Leben, auch wenn es endlich ist, genießen dürfen, uns daran freuen, es feiern dürfen.

Von daher ist es gar nicht so unpassend, dass ein solches Gedenken von Wein begleitet wird, einem köstlichen Getränk, das die Geschichte der Menschheit seit Jahrtausenden begleitet. Er trägt in sich den Geschmack von Leben und Lachen, von Freude und Zuversicht. 

Autorin: Dr. Claudia Nieser
Quelle: Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn, www.katholische-hörfunkarbeit.de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Dr. Claudia Nieser, www.katholische-hörfunkarbeit.de
In: Pfarrbriefservice.de