Welche rechtlichen Schritte können bei Bedrängung durch einen Pfarrer erfolgen?

Ein Jugendlicher erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen

Der Pfarrer seiner Heimatpfarrei lädt ihn zu sich nach Hause ein. Zum Essen, zum Spielen, zum Reden. Chattet mit ihm über einen Messenger-Dienst. Fragt immer nach neuen Treffen. Lädt ihn zum Eis essen ein. Will ihn mit zu seinem Physiotherapeuten nehmen. Ihn in seinem Auslandsjahr besuchen. Bietet ihm bei sich zu Hause einen Nebenjob an, um ihn, wie er in einem Chat schreibt, in seiner Nähe zu haben. Einen Jugendlichen, der hier anonym bleiben möchte. 17 Jahre ist er damals alt. Fühlt sich bedrängt durch das Verhalten des Pfarrers in seiner Gemeinde. Über ein Jahr dauert es, bis sich der junge Mann an eine offizielle Missbrauchsstelle wendet. Das bringt einen rechtlichen Prozess in Gang. Ihn skizziert er hier.

1. Schritt – Der Jugendliche kontaktiert die Missbrauchsstelle 

„Ich habe mich per Telefon an die Missbrauchsstelle meines Bistums gewandt. Mir wurden bei meinem ersten Anruf alle Zweifel und Ängste genommen. Mir wurde klar kommuniziert, dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, ob der Anruf richtig war oder nicht. Dass sie froh darüber sind, dass ich angerufen habe und dass sie sich jetzt darum kümmern. Die Missbrauchsstelle hat mir angeboten, dass ich auch anderweitige Beratung bekomme, wenn ich das möchte. Sie haben mir erklärt, wie die Prozedur abläuft und dass ich meine Aussagen entweder persönlich oder digital aus der Ferne machen kann. Das heißt per Mail, per Telefon oder in Präsenz vor Ort. Sie haben mir auch gesagt, dass ich in den Prozess mit einbezogen werden kann. Dass ich selber Impulse geben darf. Dass ich ein Recht darauf habe, zu erfahren, was genau passiert und dass ich anonym bleibe, so weit es geht. Anschließend habe ich erzählt, was passiert ist.“ 

2. Schritt – Die Missbrauchsstelle leitet die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft weiter 

„Die Missbrauchsstelle hat meine Aussagen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Bei mir im Bistum geht der Weg immer erst über die Staatsanwaltschaft. So wurde es mir erklärt. Denn die Kirche ist als Arbeitgeber nicht dafür zuständig, zu entscheiden, ob das Verhalten eines Angestellten strafrechtlich relevant ist oder nicht. Das ist Sache der Staatsanwaltschaft.“

3. Schritt – Die Staatsanwaltschaft prüft die Unterlagen

„Die Staatsanwaltschaft hat das geprüft und erkannt, dass es sich nicht um ein strafrechtlich relevantes Verhalten handelt.“ 

4. Schritt – Die Unterlagen werden an die Polizei weitergeleitet

„Ich habe mich dazu entschieden, dass meine Unterlagen an die Polizei weitergeleitet werden dürfen, weil der Pfarrer von dem ganzen Prozedere ansonsten nichts mitbekommen hätte und nicht erfahren hätte, dass er sich jemals unangebracht verhalten hat. Bei der Polizei bestand die Möglichkeit, dass ich Strafantrag stelle. Das ist ein Antrag, mit dessen Hilfe überprüft wird, ob es sich um unanständiges und unangebrachtes Verhalten gehandelt hat. Die Polizei hat das weiter geprüft, hat den Pfarrer befragt, ist aber zu dem Schluss gekommen, dass es kein strafrechtlich relevantes Verhalten war. Aber Sinn und Zweck dieser Prozedur war für mich, dass der Pfarrer dazu befragt wird, sich rechtfertigen muss und dass das für ihn Verwarnung genug ist.“ 

5. Schritt – Die Polizei gibt die Unterlagen an das Bistum zurück

„Mein Fall ging zurück an das Bistum, an die Missbrauchsstelle. Die Kirche hat noch einmal selber geprüft, ob das Verhalten gegen ihre Richtlinien, gegen ihre eigenen Regeln verstößt und festgestellt, dass das kirchenrechtlich durchaus relevant ist und hat innerkirchlich Konsequenzen gezogen. Direkte Konsequenzen gab es keine, weil Staatsanwaltschaft und Polizei festgestellt haben, dass es kein strafrechtlich relevantes Verhalten ist. Aber der Pfarrer wurde verwarnt. Er wurde auf die Verhaltensweisen hingewiesen. Sein Verhalten wurde in einer Akte verzeichnet und dokumentiert. Es ist somit bekannt, was stattgefunden hat. Es wurde in seiner Akte vermerkt, die im Vatikan gelagert wird, damit darauf zugegriffen werden kann.“

6. Schritt – Das bedrängende Verhalten endet 

„Ich habe seit dem Zeitpunkt, als ich mich bei der Missbrauchsstelle gemeldet habe, nie wieder Kontakt zu diesem Pfarrer gehabt. Ich durfte darüber entscheiden, ob ich ein Gespräch mit ihm haben möchte, denn es gibt die Möglichkeit des persönlichen Gesprächs. Ich habe abgelehnt. Es kann sein, dass der Pfarrer ein Gespräch gesucht hat, aber dann hätte er sich an die Missbrauchsstelle gewandt. Die kennt meine Einstellung zu dem Thema. Soweit ich weiß, wurde dem Pfarrer auch von Polizei und Kirche klar kommuniziert, dass eine weitere Kontaktaufnahme zu mir zu unterlassen ist.“

anonym, In: Pfarrbriefservice.de

Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Februar 2023

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,07 MB

Sie dürfen den Text NICHT in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Anonym, aufgeschrieben von Pfarrbriefservice.de
In: Pfarrbriefservice.de