Wer feiert, feiert Gott
Drei Gedanken, warum jedes Fest ein wahrhaftiger Gottesdienst ist
Ich meine, dass es kaum einen besseren Ort geben kann, um über Gott nach zu denken, als ein Fest. Ja, nicht nur über ihn zu reden, sondern ihm selber zu begegnen. Ganz real, wenn auch ganz anders, als wir das im Allgemeinen erwarten würden. Denn ich bin davon überzeugt: Wo Menschen auf Festbänken miteinander an einem Tisch sitzen, wo sie Essen und Trinken miteinander teilen, wo sie sich am Leben erfreuen, da wird Gott Ereignis. Ein Fest feiern, das ist wahrhaftiger Gottesdienst.
Es sind drei Gedanken, welche mir jedes Fest zum Gottesdienst werden lassen.
1. Ein historisch-religiöser Zugang:
Schon die ersten Menschen im Neolithikum, von denen wir durch archäologische Funde wissen, waren religiöse. Sie bemerkten, wie sehr sie von ihrer Umwelt abhängig waren. Als Jäger und Sammler hängte ihr Überleben vom Jagdglück und von reichen Funden beim Sammeln ab. Sie spürten ihre Ohnmacht und so erschufen sie sich mächtige Götter, die in Gewitter und Sturm, in den Wanderzügen von Hirschen und Rehen oder in der Kraft von Bären und Säbelzahntigern manifest wurden.
Diese Götter begannen sie zu verehren. Sie speisten sie, indem sie ihnen Opfer darbrachten. Sie gaben von dem, was sie selber stark und gesund hielt, den Göttern. Sie haben von dem gegeben, das ihnen wichtig war.
Als sich dann – viele tausend Jahre später – die menschlichen Gemeinschaften zu Staaten entwickelten – so wie das auch im alten Israel geschah, hielten die Menschen am Opfer fest.
Am Tempel opferte man Gott. Man gab ihm, was für die Menschen und den Staat wichtig war. Man opferte die besten Tiere. Tiere, die der Landwirtschaft als Zuchttiere hätten dienen können. Das Opfertier wurde geschlachtet, das Fett und Teile des Fleisches sind Gott als eine Art Speisung durch das Feuer übergeben worden. Doch nicht das ganze Tier wurde verbrannt. Teile des Fleisches wurden gegart und unter denjenigen verteilt, welche am Opfer teilgenommen hatten. Im Essen des Fleisches des Opfertiers nahmen sie am Festessen mit Gott als Ehrengast teil.
Auch heute noch spielen das Opfer und das Teilnehmen am Festmahl, welches dazu gehört, in vielen Religionen eine wichtige Rolle. Ja, auch wir Christinnen und Christen haben in der Form des Abendmahls eine Art von symbolisiertem Opfer erhalten. Das Teilen von Brot und Wein lässt uns Gemeinschaft mit Gott erfahren.
2. Ein zweites Argument, ein psychologisches:
Wenn uns jemand etwas gibt, wenn wir beschenkt werden, dann möchten wir danken. Es liegt in der Natur von uns Menschen, dass wir dankbar sind. Wir bedanken uns für ein Kompliment. Wir bringen etwas mit, wenn uns ein Nachbar während der Ferien die Pflanzen gießt. Wir zeigen uns erkenntlich, wenn uns Freunde und Familie beim Umzug helfen. Wir bedanken uns bei denen, welche uns Gutes tun.
Auch wenn wir Geburtstag feiern, wollen wir uns bedanken. Danke sagen, dass uns wieder ein Jahr geschenkt worden ist, dass wir von Krankheit verschont worden sind oder dass wir viele fröhliche Stunden teilen durften. Dann möchten wir für all das Gute Danke sagen. Doch bei wem können wir uns bedanken? Wer hat uns das Jahr geschenkt?
Das Festessen, zu welchem wir gerne am Geburtstag einladen, ist eine Feier der Gemeinschaft. Einer Gemeinschaft, welche nicht nur von Mensch zu Mensch gilt, sondern in der – unausgesprochen – Gott mit dazugehört. Es muss nicht der christliche Gott sein, wir können ihm auch ganz andere Namen geben. Schicksal, Glück, universelle Kraft, Weltethos – und doch: mit der Geburtstagsfeier bedanken wir uns implizit auch immer bei etwas Transzendentem.
3. Ein drittes Argument – ein ethisch-moralisches:
Feiern kann nur der, dem es gut geht. Wer feiert, teilt seinen Überfluss an Gutem. Für ein Gastmahl müssen genügend Speisen und Getränke vorhanden sein. Nicht nur heute, auch damals vor rund 2000 Jahren schon.
Als Jesus einmal mit 5000 Männern, Frauen und Kindern essen will, da konnten sie gerade einmal fünf Brote und zwei Fische zusammentragen. Viel zu wenig, als dass alle hätten satt werden können. Doch dann geschah ein Wunder. Nicht nur hatten am Schluss alle genug. Nein, es konnten gar zwölf Körbe voll mit Resten eingesammelt werden. Die einfache Mahlzeit war zum Festessen geworden, denn es war ein Fest des Überflusses.
Der Überfluss gehört mit zum Feiern. Wo wir ihn teilen, entsteht Gemeinschaft. Teilen bringt uns näher zu Gott. Wer von dem, was ihm geschenkt ist, wer den Segen weitergibt, der tut das Werk Gottes. Der wird zum Handlanger Jesu. Denn wer mit dem Hungrigen sein Brot teilt und mit dem Durstigen sein Bier, der begegnet seinem Nächsten. Wer aber seinem Nächsten begegnet, der begegnet durch die Freundschaft von Mensch zu Mensch auch Gott. Im Nächsten schenken wir Gott und Gott schenkt sich uns. Wer teilt, streut den Samen des göttlichen Segens auf das Land.
Ins Herz gelegt
Drei Gedanken habe ich vorgestellt. Drei Gedanken, die mich überzeugen. Die ich als befreiend erlebe. Alle drei zeigen eines:
Wir müssen keine grauen Mäusle sein und uns vor aller Lebensfreude zurückziehen, um Gott zu begegnen. Wir dürfen Menschen sein. Menschen, die voll Lebensfreude miteinander feiern. Wir dürfen das Essen genießen und den Durst mit kühlem Bier oder süßem Most löschen. Wir dürfen miteinander tratschen und lachen und bis in alle Nacht zusammensitzen. Denn Gott hat uns die Freude ins Herz gelegt. Er ist es, der uns feiern lässt. Ob es uns bewusst ist oder nicht, ob es uns passt oder nicht. Wer feiert, der feiert Gott.
Pfarrer Christian Vogt
Quelle: http://pfarrgedanken.ch, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Pfarrer Christian VogtIn: Pfarrbriefservice.de