Wie aus einer Tonne ein Tisch wurde
Ein Interview mit Initiatorin Dagmar Schnös zu einer besonderen Nachbarschaftsaktion
Neun Nachbarinnen und Nachbarn aus fünf Haushalten verabreden sich einmal im Monat in einem Siedlungsgebiet eines größeren Dorfes zur „Blauen Tonne“. Was es damit auf sich hat, erzählt die Initiatorin Dagmar Schnös aus Knetzgau im Interview.
Warum heißt Ihre Nachbarschaftsaktion „Blaue Tonne“?
Dagmar Schnös: Einmal im Monat wird bei uns im Landkreis das Altpapier abgeholt, das jeder Haushalt in einer großen blauen Tonne sammelt. Jeweils am Vorabend dieses Sammeltermins treffen wir uns als Nachbarn zu einer festen Uhrzeit. Jeder stellt seine Tonne raus, wir versammeln uns dann um unsere Tonne und nutzen die Gelegenheit für einen kurzen oder längeren Plausch.
Wie kam es zu dieser Idee?
Dagmar Schnös: Vor 15 Jahren hatten wir auch schon mal Nachbarschaftsfeste bei uns in der Garage. Aber das war immer mit viel Arbeit verbunden. Ich suchte nach einer Möglichkeit, ohne großen Aufwand, dafür aber regelmäßig mit meinen Nachbarn in Kontakt zu kommen. Außerdem zogen vor einigen Jahren neue Nachbarn ein. Im Gespräch über den Gartenzaun erfuhr ich, dass sie es als schwierig empfanden, hier anzukommen.
Und da haben Sie die Aktion „Blaue Tonne“ gestartet.
Dagmar Schnös: Ja genau. Ich kannte die Idee von einer Freundin und dachte, das könnte was für uns sein.
Wie sind Sie vorgegangen?
Dagmar Schnös: Ich bin zu unseren Nachbarn einzeln hin, habe die Idee vorgestellt und sie gefragt, ob sie sich das vorstellen können. Ich finde es ganz wichtig, dass jeder darüber nachdenkt. Und jeder sollte sich die Freiheit nehmen dürfen, auch Nein zu sagen.
Wie haben die Nachbarn reagiert?
Dagmar Schnös: Sehr positiv. Sie haben sich über die Idee gefreut. Und sie waren dankbar, dass jemand die Initiative ergreift. Wir hatten zwar schon immer gute Kontakte untereinander. Aber gerade im Winter sah man sich kaum und wusste wenig voneinander. Die „Blaue Tonne“ gibt es dagegen auch, wenn es regnet oder schneit. Dann stehen wir halt in unserer Garage und trinken Glühwein.
Glühwein? Also ist das Ganze doch mit Aufwand und Organisation verbunden?
Dagmar Schnös: Nein. Wir machen das so, dass jeder das Getränk, das er trinken möchte, selber mitbringt. Im Winter ist das eben auch mal ein Glühwein. Was mich sehr gefreut hat, war, dass der neue Nachbar gleich nach dem ersten Treffen ein Brett gebaut hat, das man auf den Tonnen-Deckel legen kann, um dort die Gläser und Flaschen bequem abzustellen. So wurde aus der Tonne ein Tisch.
Wie muss man sich solche Treffen vorstellen?
Dagmar Schnös: Ganz unkompliziert. Per WhatsApp-Nachricht oder bei einer zufälligen Begegnung erinnern wir uns gegenseitig an die nächste „Blaue Tonne“. Man merkt, da schwingt Vorfreude mit. Wenn es dann soweit ist, fällt mir immer auf, dass alle mit einem Lächeln kommen. Zwischen zehn Minuten und auch mal zwei Stunden ist alles drin. Man kann später dazu kommen oder früher gehen – es ist wirklich alles sehr unkompliziert.
Und worüber unterhalten Sie sich?
Dagmar Schnös: Ich möchte es mal so formulieren: Wir haben uns als Nachbarn gegenseitig im Blick. Wir achten aufeinander und kommen darüber ins Gespräch. Das sind zum Beispiel Reisepläne, Krankenhausaufenthalte, Geburtstage oder Familienneuigkeiten. Durch die Regelmäßigkeit bekommt man viel voneinander mit.
Zuviel?
Dagmar Schnös: Nein. Die Grenze, was man von sich preisgibt, legt ja jeder für sich selber fest. Meine Einschätzung ist: Das Ganze funktioniert deshalb, weil wir ein echtes Interesse aneinander haben und ein gutes Miteinander wollen.
Haben Sie einen Tipp für Menschen, die das auch mal ausprobieren möchten?
Dagmar Schnös: Unbedingt anfangen. Und erstmal persönlich auf die Nachbarn zugehen und die Idee vorstellen. Es braucht für die „Blaue Tonne“ eine Nachbarschaft, die das will. Und dann einfach mal schauen, wohin sich das Ganze entwickelt.
Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de
Nachtrag: Die „Blaue Tonne“ findet zurzeit coronabedingt nicht statt. Aber „alle vermissen sie“, sagt Dagmar Schnös. Derzeit symbolisiere die blaue Tonne eher ein „Stück Einsamkeit“.
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Text: Elfriede KlauerIn: Pfarrbriefservice.de