Wie geht das eigentlich - lieben?
Anzuerkennen, dass Gott Gott ist und dass wir Menschen sind, die Fehler machen dürfen, hilft, sich selbst und den Nächsten zu lieben
„Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“ Diese Frage eines Gesetzes-Lehrers an Jesus können wir in der Bibel im Matthäus-Evangelium (Kap. 22,36) lesen. In unsere Sprache übersetzt: Worauf kommt es im Leben eigentlich an? Die Antwort Jesu, bekannt und doch immer wieder Fragen aufrufend: „Du sollst Gott und den Nächsten lieben wie dich selbst“.
Gott an erster Stelle lieben?
Ein liebender Mensch zu werden, das ist nach Jesus das Wichtigste im Leben. Aber da gehen die Missverständnisse schon los: alle reden von Liebe, und alle meinen etwas anderes. Wenn Jesus von Liebe redet, dann meint er nicht jene Geschichten, wie sie allabendlich über den Fernsehschirm flimmern und die Opernhäuser der Welt füllen, er meint nicht in erster Linie ein Gefühl, das heute so und morgen so sein kann. Er meint etwas, das durchhält und durchgeht, etwas, das trägt, heute, morgen und darüber hinaus. Und dennoch. Es bleibt die Frage: wie geht das eigentlich? Vor allen Dingen, wie geht das: Gott an erster Stelle zu lieben? Jemand wirklich lieben hat etwas damit zu tun, diesen Menschen zutiefst zu bejahen: es ist gut, dass es dich gibt, so wie es dich gibt, in deiner Einmaligkeit, in deinem Anderssein, es ist gut, dass du da bist. Was das in Bezug auf Gott meint, wurde mir kürzlich deutlich beim Lesen eines Spruches, der mich schmunzeln ließ: Gott ist Gott, nicht du, also lass locker und entspann dich! Ob so manches Stressphänomen unserer Zeit damit zu tun hat, dass wir Gott aus dem Auge verlieren und meinen, selbst die Stelle Gottes einnehmen zu müssen?
Der „Gotteskomplex“ des modernen Menschen
Der Psychologe Horst Eberhardt Richter spricht vom „Gotteskomplex“ des modernen Menschen: so zu tun, als wisse man alles, als könne man alles und geradezu als Konsequenz als dürfe man alles. Die Reaktorkatastrophe in Japan hat uns – hoffentlich - eines besseren belehrt. Gott lieben, das würde heißen: bejahen, dass ER Gott ist, nicht ich. So zieht die Bejahung Gottes immer auch ein Nein nach sich, ein Nein zu allen Allmachts-Phantasien, die nur Illusionen nähren: als hätte man alles in der Hand, als könne man alles kontrollieren und als müsse alles gelingen. Gott lieben, Gott als Gott bejahen, Gott Gott sein lassen, das könnte die Lösung sein. Es käme darauf an, sich als Mensch zu bejahen, alle Perfektions- und Allmachtsträume fahren zu lassen, als könnten und müssten wir alles beherrschen. Der Mensch - auch wir so genannten modernen Menschen - er weiß nicht alles, kann nicht alles, darf nicht alles. So ist die grundsätzliche Bejahung Gottes verbunden mit einem Nein zu allem, wo sich der Mensch wie Gott aufspielt.
Sich versöhnen
Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst: wer so sich selbst als begrenzten Menschen annehmen kann, der wird auch damit rechnen, dass es bei seinem Nächsten nicht viel anders ist als bei ihm selbst. Er muss nicht meinen Idealvorstellungen entsprechen, nicht den Idealbildern, die ich bisweilen in ihn hineinprojiziere und denen er gar nicht gerecht werden kann und auch nicht muss. Überhaupt: er darf anders sein, so wie Gott anders ist als ich ihn mir immer wieder zurechtlege. Gott Gott sein lassen, d.h. sich versöhnen mit der eigenen Endlichkeit und Begrenztheit und genauso mit der manchmal so erschreckenden menschlichen Begrenztheit meiner Mitmenschen.
Lieben hat etwas mit Ja sagen zu tun: ein befreites und befreiendes Ja, zu Gott, zu meinem Nächsten und nicht zuletzt zu mir selbst – eine Spur zu lernen, was es heißt: Gott, den Nächsten und nicht zuletzt sich selbst zu lieben.
Eine Spur, ein liebender Mensch zu werden.
P. Hans Peters SVD
Wort zum Sonntag, 22.10.2011, Deutsche Welle - Radio
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Text: P. Hans Peters SVDIn: Pfarrbriefservice.de