Zeit im Kloster bei "Kloster auf Zeit"
Was haben ein Unternehmenssprecher, ein Student, und ein Koch gemeinsam? Ihre Erfahrungsberichte über einen Kloster-Auf-Zeit-Kurs in Münsterschwarzach beginnen mehr oder weniger mit der gleichen Zahl – halb fünf! Das klingt dann etwa so: „Mein Wecker klingelt im fränkischen Münsterschwarzach um 4:30 Uhr: Halleluja! Was für eine unchristliche Zeit zum Aufstehen!“
Zeit im Kloster. Wie wird sie von Menschen, die nur eine Bahnfahrt von ihrem normalen Alltag entfernt sind, empfunden? Was treibt sie hinter die Mauern und was passiert mit ihren Befürchtungen und Vorstellungen im zunächst fremden Alltag als „Mönche auf Zeit“? Die Voraussetzungen sind erstmal alle ähnlich: Lukas (25) schreibt: „Im letzten halben Jahr gab es viel, was mich konstant unter Strom gehalten hat. Es fiel mir deshalb sehr schwer, mir Zeit für mich zu nehmen.“ Auch der Unternehmenssprecher Ulf definiert sein Ziel irgendwie über seinen hektischen Alltag: „Die totale Entschleunigung erleben. Sich ganz im Hier und Jetzt bewegen, statt schon wieder an die Projekte von morgen zu denken.“
Trotz oder gerade wegen der großen Hoffnungen gibt es meist zu Beginn – spätestens nach der Verkündigung des Tagesablaufes – erstmal Befürchtungen und Unsicherheiten. Die nächste Zeit wird für Ulf, dessen täglich Brot die Kommunikation und effizient genutzte Zeit ist, wohl eine echte Herausforderung: „Kein Smartphone, wenig Reden. Alles hat seine festgelegte Zeit“. Auch Peter (32) hat erstmal Angst um sein Vorhaben, viel Zeit für sich zu bekommen: „Aufstehen, Gottesdienst, kurze freie Zeit, Gottesdienst, Frühstück, Arbeit, Gottesdienst, Mittagessen, Mittagspause, Gruppenaustausch, Gottesdienst, Abendessen, Gottesdienst, Treffen, Ende … – der komplett geordnete Tagesablauf erschreckte mich und ich vermutete darin nur wenig Zeit für mich.“
Eine besondere Qualität von Zeit
Was die Tage bringen werden, kann wohl nur die Zeit beantworten. Und nach einiger Zeit gibt es bei Ulf auch bereits erste Ahnungen: „Was auf den ersten Blick für einen Kommunikator nach Höchststrafe aussieht, entpuppt sich beim zweiten Blick als wichtiger Bestandteil für die Entschleunigung. Kein Feierabendbier, kein Kino, kein Smalltalk. Nichts. Nur Stille. Und plötzlich habe ich kostbare Zeit für mich gewonnen. Ich blättere in den Psalmen, markiere Textstellen und lasse den Tag noch einmal Revue passieren. Und jetzt spüre ich ihn, diesen Augenblick, der Körper und Seele ganz ruhig werden lässt.“
Auch Lukas kann seine Sorgen zum Tagesrhythmus und den vielen Regeln beiseite lassen. Freiheit und Intensität sind die Erfahrungen, die ihm in den Tagen geschenkt werden: „Im Gegensatz zu meiner Befürchtung stellten sich gerade die Regeln als das heraus, was mir die größte Freiheit gab, immer bei mir zu sein und das zu erfahren, was ich suchte. Der geregelte Tagesablauf und die wenige freie Zeit haben mir zusätzlich ermöglicht, meine Zeit viel intensiver wahrzunehmen und zu leben. 30 Minuten zwischen Morgenhore und Eucharistiefeier alleine in der Krypta im Gebet verbringen. Ein Morgenspaziergang, wie ich ihn selten erlebt habe, die Schönheit und Stille vor und während des Sonnenaufgangs. Gedanken in mein Tagebuch schreiben. Träume Revue passieren lassen. Über meinen Glauben nachdenken. Neue Symbole meines Glaubens entdecken. Neue Wege erkunden, wie ich meinen Glauben leben kann.“
Natürlich erleben die „Mönche auf Zeit“ auch, was „Zeit“ jenseits des Gebetes heißt. Ulf hat zum Beispiel zwischen den Gebets- und Mahlzeiten bei Bruder Alfred in der Druckerei geholfen und erfuhr dort etwas über die Qualität von Zeit, Stille, Maß und Arbeit: „Trotz der rotierenden Druckmaschinen und pausenlosen Telefonate nimmt sich Bruder Alfred immer wieder Zeit für Gespräche. Bei ihm lerne ich, was die Benediktiner unter dem „rechten Maß“ verstehen: Kraft aus der Quelle des Gebetes und der Stille schöpfen, aber gleichzeitig auch mit Herzblut und dem nötigen Humor seinen Job machen.“ Auch in der Gärtnerei geht es nicht nur um die gezählten Stücke Gemüse am Ende des Tages. In der Jetztzeit arbeiten und auch mal Zeit für ein gutes Wort haben sind auch hier Erfahrungen, die die jungen Männer unter „gewonnener Zeit“ verbuchen.
Die besondere Qualität von Zeit kommt aber auch in ganz vielen anderen Dingen des Alltags zur Sprache, manchmal sogar in der Architektur. So werden ganz unterschiedliche Beobachtungen zu Wahrnehmungen von Qualitäten von Zeit: „Der Einzug der Mönche in den Chorraum, das Essen in Stille im Refektorium, das meditative Gehen durch den wunderbar klaren Kreuzgang, das Einläuten des Sonntags.“
Rhythmus als frei machende Ressource
Zeit im Kloster. Sie wird von vielen Männern vor allem als Chance gesehen, etwas vom Rhythmus des Tages und der Kraft einer Weggemeinschaft, die immer auch eine gemeinsam geteilte Zeit ist, zu erleben und mitzunehmen. Ein bewusster Umgang mit der Zeit, das rechte Maß, wertvoll genutzte drei Minuten in der Jetzt-Zeit … Was auf den ersten Blick starr und stressig aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als frei machende Ressource.
Was kann bleiben nach einer solchen Zeit im Kloster? Eine Bahnfahrt weiter droht der Alltag mit Handy, Vorlesungsplan und Dauererreichbarkeit. Lukas hat für sich ein paar Pläne: „Oft versuche ich, Rituale und Erlebtes aus dem Kloster in den Wirbel meines Alltags einzubauen.Die Mittagspause zwischen den Vorlesungen, das frühe Aufstehen mit den ersten Sonnenstrahlen …“ Auch Ulf ist sichtlich beeindruckt von seiner gelebten Zeit hinter Klostermauern. Das frühe Aufstehen wird er sich vielleicht dennoch nicht bewahren …
Autor: Br. lmmanuel Fuhrmann OSB
Quelle: Münsterschwarzacher Ruf in die Zeit Nr. 1/14, Münsterschwarzach : Februar 2014
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Dateiformat: .doc
Dateigröße: 0,02 MB
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Text: lmmanuel Fuhrmann OSBIn: Pfarrbriefservice.de