Früh verwitwet: plötzlich allein

Das Schwerpunktthema für November 2020

von Elfriede Klauer am 28.07.2020 - 06:00  

congerdesign / Pixabay.com - Lizenz

Wir haben uns daran gewöhnt: Tod hat etwas mit dem Alter zu tun. Wenn man alt ist, stirbt man. Aber was ist, wenn jemand früher stirbt? Wenn es einen Partner oder eine Partnerin gibt, die sich ein Leben mit ihm aufbauen wollte? Wenn minderjährige Kinder um ihren Vater oder ihre Mutter trauern? Schätzungen gehen davon aus, dass es mehr als 600.000 Frauen und Männer in Deutschland gibt, die jünger als 60 Jahre sind und ihren Ehepartner durch Krankheit, Unfall oder Suizid verloren haben. Und rund 800.000 Kinder und Jugendliche wachsen als Halb- oder Vollwaisen auf. Das ist eine große Zahl an Menschen mit diesem Schicksal. Und dennoch sagt Anne Sachweh als Betroffene im Interview: „Man lebt so unentdeckt“. Mehr Verständnis für früh Verwitwete und deren Kinder, mehr Sicherheit im Umgang mit ihnen – dazu möchten die Bausteine dieses Schwerpunktthemas beitragen. Auch in Ihrem Pfarrbrief?

    Bilder

    Fotoausstellung im Zeitungsformat porträtiert jung Verwitwete und ihre Familien

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    Pressemitteilung VIDU

    „Das Problem sind die Sonntage“ – so sieht eine junge Frau ihre neue Alltagswirklichkeit nach dem frühen Tod ihres Mannes. Diese Aussage ist in einer Foto-Ausstellung zu lesen, die der bundesweite Selbsthilfeverein für jung Verwitwete VIDU präsentiert.

    Ein Interview mit Anne Sachweh, die 40 Jahre alt war, als ihr Lebensgefährte plötzlich starb

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    Elfriede Klauer

    „Man lebt so unentdeckt“, sagt Anne Sachweh. Im November 2017 ist ihr Lebensgefährte plötzlich gestorben, „ohne erkennbaren Grund“. Was für sie einschneidende Folgen hatte, spielt als gesellschaftliches Thema keine Rolle, musste sie feststellen.

    Ein Interview mit Ellen Peiffer, Leiterin einer Selbsthilfegruppe für früh Verwitwete

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    Elfriede Klauer

    Ellen Peiffer ist Mitte 30 und hat zwei kleine Kinder, als ihr Mann stirbt. Das war 2006. Was ihr damals geholfen hat, waren die monatlichen Treffen einer Selbsthilfegruppe für früh Verwitwete in Köln. „Durch die Gruppe habe ich meine Stabilität wieder gefunden“, sagt Ellen Peiffer rückblickend.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Heute Morgen schreckte ich aus dem Schlaf hoch, weil es schon so hell war. Hatte ich verschlafen? Ein Blick auf den Wecker: zehn nach fünf.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Es ist modern, alles und jedes mit Sprüchen zu versehen. „Statements“, nennt sich das dann. Ich frage mich bei manchen Sprüchen eher, ob es nicht „Beschwörung“ heißen müsste. So geht es mir zum Beispiel mit dem schlichten Spruch „Das Leben ist schön“. Puh.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Da gibt es diesen Rotweinfleck auf dem Sofa. Dort, wo du immer gesessen hast. Was haben wir nicht alles versucht, um ihn wegzubekommen, aber nichts hat geholfen. Wir dachten immer, irgendwann kaufen wir uns ein neues Sofa. Aber dazu kam es nie.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Das schöne an Herbst und Winter ist das schlechte Wetter. Ich kann mich einigeln. Niemand sagt: „Was, bei dem schönen Wetter bist du drinnen?“ Frühjahr und Sommer haben den Nachteil, dass man sich ständig gezwungen fühlt, aus dem Haus zu gehen.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    auf einer dieser Beileidskarten stand, dass du „in diesen schweren Stunden“ bei mir bist. Danke für das Angebot, aber ich fürchte, mit „Stunden“ ist es nicht getan. Das wird nicht reichen! Ich rechne mit Jahren, die schwer sein werden. Wärst du so nett, dir dafür Zeit einzuplanen?

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Langeweile – das ist kein sehr schöner Zustand. Besonders am Sonntag trifft sie uns gerne mit voller Wucht. Wir müssen nicht zur Arbeit gehen, die uns ablenken würde.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Einige Wochen nach dem Tod meines Mannes bot mir eine Nachbarin an, mal abends auf meine Kinder aufzupassen, damit ich ausgehen könne.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    Diese Woche Ende Juni habe ich sie zum ersten Mal gesehen, im Schaufenster einer Buchhandlung: die Kalender für das nächste Jahr! Ob die wirklich schon jemand kauft?

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    In einer Whatsapp-Gruppe lese ich folgenden Spruch: „Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon.“ Mein erster Gedanke: So ein Quatsch!

    Denn eines wusste ich sehr genau, als mein liebster erwachsener Mensch starb: Das wird immer traurig sein.

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    ellimic (Ellen Peiffer), Sonntagsgedanken, forum.verein-verwitwet.de

    „Kann ich wieder glücklich werden?“ Natürlich stellen wir uns diese Frage alle. In der Selbsthilfegruppe für früh Verwitwete reden wir darüber, sind verzagt und ratlos.

    Dann eine vorsichtige Frage: „Darf ich überhaupt sagen, dass ich glücklich bin?“

    Der Surftipp: www.verein-verwitwet.de

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    Elfriede Klauer

    „Weiterleben, wenn der Partner stirbt“ – unter diesem Motto bietet der Verein VIDU® Selbsthilfe für früh Verwitwete.

    Münchner Nicolaidis YoungWings Stiftung ist bundesweit erreichbar

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    Elfriede Klauer

    Die Nicolaidis YoungWings Stiftung in München versteht sich als bundesweite Anlaufstelle für trauernde Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis zum Alter von 49 Jahren.

    Tipps für eine hilfreiche Begleitung

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    Elfriede Klauer

    Wenn Väter und Mütter sterben, bleiben trauernde Kinder und Jugendliche zurück. Es wird geschätzt, dass es in Deutschland rund 800.000 junge Betroffene gibt.

    Buchtipp für Menschen, die Kindern und Jugendlichen in Trauer helfen möchten

    von

    Elfriede Klauer

    Wenn Papa jetzt tot ist, muss er dann sterben? Diese Frage macht für Erwachsene keinen Sinn. Anders für Kinder, die erst begreifen müssen, was es heißt, tot zu sein.

    Der Tipp für Pfarrbriefredaktionen

    Angebote für früh Verwitwete in Ihrer Pfarrei

    Mit welcher Unterstützung können früh Verwitwete in Ihrer Pfarrei rechnen? Fragen Sie bei Ihrem Seelsorgeteam nach und schreiben Sie darüber im Pfarrbrief.

    Vielleicht gibt es feste Einrichtungen, wie z.B. ein Trauercafe oder eine Selbsthilfegruppe. Stellen Sie auch dieses Angebot vor, z.B. in einem Interview mit der Leitung.
    Mögliche Fragen:
    •    Was erwartet jemanden, der neu zu Ihnen kommen möchte?
    •    Warum gibt es dieses Angebot?
    •    Warum engagieren Sie sich für dieses Angebot?
    •    Welche Erfahrungen machen Sie?

    Ein kleiner Infokasten klärt über Organisatorisches, wie Termin, Veranstaltungsort und Kontaktmöglichkeit auf.

    Denken Sie auch an eine entsprechende Bebilderung.

    Beratung für Freunde und Familienangehörige

    Manchmal brauchen auch Bezugspersonen Hilfe, wenn Menschen trauern. Eine kostenlose und zeitlich unbegrenzte Beratung bieten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nicolaidis YoungWingsStiftung für Freunde und Familienangehörige von früh Verwitweten. In persönlichen oder telefonischen Gesprächen geht es darum, gemeinsam ein Verständnis für die Reaktionen des Trauernden zu entwickeln und individuelle Möglichkeiten der Unterstützung zu erarbeiten, heißt es auf der Website www.nicolaidis-youngwings.de. Alle Beraterinnen und Berater haben neben ihrer fachlichen Qualifikation auch Erfahrungen aus eigener Betroffenheit. Nähere Informationen und Kontaktmöglichkeiten unter https://www.nicolaidis-youngwings.de/angebote/nach-tod-des-lebenspartners/beratung-bezugspersonen.html.

    Fotoausstellung von Jann Höfer: „Das Problem sind die Sonntage“

    Jann Höfer ist ein junger Kölner Fotograf, der sich durch ungewöhnliche sozialkritische Fotodokumentationen einen Namen gemacht hat und neben seinem Studium für internationale Auftraggeber, wie Süddeutsche Zeitung oder New York Times arbeitet (www.jannhoefer.de). Er hat mit früh verwitweten Frauen und Männern gesprochen und seine Eindrücke fotografisch festgehalten. Mit einer Fotoausstellung möchte er seinen Beitrag leisten, der Thematik eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er arbeitet hierfür mit dem Verein VIDU® Selbsthilfe für Verwitwete zusammen (www.verein-verwitwet.de).

    Wegen der Corona-Pandemie haben sich die Ausstellungspläne zeitlich verzögert. Eine erste öffentliche Vernissage ist nun auf der Messe „Leben und Tod“ im Oktober 2020 in Freiburg geplant (www.leben-und-tod.de/freiburg/). Danach soll die Ausstellung deutschlandweit auf Tour gehen.

    Erste Eindrücke der Ausstellung vermittelt eine Zeitung, die von Interessierten (z.B. auch von Pfarrgemeinden) angefordert werden kann. Die Zeitung kann auseinandergenommen und präsentiert werden. Fotos dieser sogenannten Pop-Up-Ausstellungen werden gesammelt und auf der Website www.das-problem-sind-die-sonntage.de gezeigt. Der Verein freut sich hierfür über Spenden.

    Wer Interesse an der Fotoausstellung hat, sendet eine Mail an vorstand@verein-verwitwet.de.

    Briefaktion „Zurück ins Leben“: Mutmachbriefe in Zeiten der Trauer

    Positive und aufbauende Post im Briefkasten ist das, was im ersten Jahr der Trauer manchmal fehlt – das haben die Engagierten des Vereins „VIDU – Selbsthilfe für Verwitwete“ selbst erfahren. Deshalb haben sie sechs Briefe entwickelt, die man für sich selber, für einen trauernden Menschen oder auch für die Trauerbegleitung anfordern kann. Die Briefe sind persönlich gestaltet und sollen dabei helfen, den dunklen Alltag ein wenig aufzuhellen. Jeder Brief erhält Erfahrungsberichte, Anregungen, kleine Geschichten oder Gedanken. Die Briefaktion „Zurück ins Leben“ ist für den Empfänger unabhängig von einer Vereins-Mitgliedschaft.

    Weitere Informationen unter info@verein-verwitwet.de. Das Anmeldeformular zur Briefaktion findet sich unter https://www.verein-verwitwet.de/sites/default/files/2018-05/VIDU_Briefaktion-zurueck-ins-Leben.pdf.

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